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Kinderlärm: Mehr Toleranz für kleine Krachmacher

Kinder machen Lärm: Sie toben, weinen, streiten, lachen. Einige Menschen stört der Krach derart, dass sie klagen. Noch im Oktober soll ein Berliner Gesetz geändert werden. Kinderlärm muss dann auch in Wohngegenden akzeptiert werden.

Von Sabine Beikler

Eltern freuen sich über die aufgeweckten Kleinen, andere reagieren auf Kinderlärm aggressiv. Es ist aber erklärtes Ziel aller Landespolitiker, Berlin familien- und kinderfreundlicher zu machen. Künftig wird Kinderlärm auch in Wohngegenden akzeptiert werden müssen. „Störende Geräusche, die von Kindern ausgehen, sind als Ausdruck selbstverständlicher kindlicher Entfaltung und zur Erhaltung kindgerechter Entwicklungsmöglichkeiten grundsätzlich sozialadäquat und damit zumutbar.“ Noch im Oktober soll das Landesimmissionsschutzgesetz um diesen Satz aus der am Donnerstag im Abgeordnetenhaus vorgelegten Gesetzesvorlage von SPD und Linken ergänzt werden.

„Damit wollen wir ein gesellschaftliches Signal geben“, sagte Jugendsenator Jürgen Zöllner (SPD) gestern im Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie. Mit den Stimmen von SPD, Linken und Grünen wurde der Gesetzesentwurf verabschiedet, der noch im Gesundheitsausschuss beraten werden muss. Bereits in der nächsten Woche soll der Gesetzesentwurf ins Parlament eingebracht werden. Kinderlärm wird somit nicht mehr mit Industrielärm gleichgesetzt. Welche Auswirkungen das auf Klagen haben wird, wird die Praxis zeigen: Nach wie vor gilt zwar die Einzelfallprüfung. „Vorstellbar“ sei durchaus, dass die Gesetzesänderung bei einer Abwägung im Einzelfall berücksichtigt werde, sagte ein Sprecher des Kammergerichts. Bei der Umweltverwaltung sind derzeit keine Klagen anhängig.

Die CDU konnte sich nicht mit ihrem Gesetzespaket „Kinderlärm ist Zukunftsmusik“ durchsetzen. Familienpolitikerin Emine Demirbüken-Wegner forderte eine Präzisierung der Orte wie Kitas, Spielplätze oder Schulen, in deren Umgebung Kinderlärm geduldet werden müsse. Auch solle die Akzeptanz von Hausmusik und Musikunterricht von Kindern in Wohnungen verbindlich geregelt werden. Die Koalitionspolitiker entgegneten, das müsse nicht eigens im Gesetzestext aufgenommen werden. Hausmusik von Kindern sei ohnehin Bestandteil einer „sozial adäquaten Lebensäußerung“ und müsse im Einzelfall abgewogen werden. „Wir wollen eine Privilegierung, keinen Freifahrtschein“, sagte SPD-Rechtspolitiker Holger Thärichen.

Im vergangenen Jahr musste ein Vater, wie berichtet, Bußgeld wegen des Klavierspiels seiner Tochter zahlen. Das sonntägliche Klavierspiel sei „erheblich störend“, befand der Richter mit Bezug auf das Landesimmissionsschutzgesetz. Die Lärmdebatte stieß auch eine Nachbarschaftsklage gegen die Friedenauer „Kita Milchzahn“ an. Zwar musste die Kita nicht primär wegen Kinderlärms, sondern wegen „Fehlnutzung“ umziehen, doch hatte das Urteil eine Diskussion über Kinderfeindlichkeit ausgelöst.

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