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Berlin: Kino zum Nachblättern

Verliebt in den Film: Ein kleiner Verlag macht große Bücher für Cineasten

Am hinteren Ende der Wrangelstraße geht’s eine Stiege hinauf, die keine Kehrwoche kennt. Oben sitzen fünf Menschen in einer Altbauwohnung mit Dielen, Bücherregalen und Panoramablick auf die Taborkirche. Verlegerin, Verleger, Volontärin, freier Lektor und Praktikantin. Sie sind der Bertz und Fischer Verlag, Spezialist für Filmbücher. An die 50 selbst gemachte Bände hat der Kreuzberger Kleinverlag im Angebot und noch einige mehr im Vertrieb. Auf der Berlinale präsentieren sie als Neuerscheinungen den Drehbuch-Almanach „Scenario 1“ und in Zusammenarbeit mit der Deutschen Kinemathek den opulenten Band „City Girls – Frauenbilder im Stummfilm“ zur Retrospektive. Diese Bücher erscheinen seit 2003 bei Bertz und Fischer. Ebenso wie der schöne Band zur Hildegard-Knef-Ausstellung oder Bücher der Defa-Stiftung.

Den Verlag gibt’s seit dem Jahr 1996, aber ein Buch über die Berliner Kinoszene hat er schon mit 25 gemacht, erzählt der schlaksige Verleger Dieter Bertz. „Kino war bereits im Politikstudium meine zweite Leidenschaft neben der Revolution. Als die nix wurde, hab’ ich 1987 mein erstes Filmbuch gemacht.“ Er und Katrin Fischer, beide Mitte vierzig und Diplom-Politologen, haben sich an der Freien Universität kennengelernt. Erstmal allerdings ohne berufliche Folgen. Warum sie dann Filmbuchverleger wurden? „Die offizielle Version lautet: Wir lieben das Kino und mögen Bücher. Die inoffizielle: Wir haben nichts Besseres gelernt.“ Außerdem verbindet sie der Unwille, als Lohnsklaven zu arbeiten, meint Dieter Bertz. Und Katrin Fischer ergänzt lachend: „Wir beuten uns lieber selber aus.“ Sie ist 1997 in den Verlag eingestiegen und seitdem für Geschäftsführung, Organisation und Vertrieb zuständig. Das ging gleich turbulent los. „Ich musste einen Riesenlaster mieten, um bei Nacht und Nebel unser frisch gedrucktes Buch über Quentin Tarantino zu retten.“ Die Vertriebsfirma, bei der die Bände zur Auslieferung bereitlagen, hatte Pleite gemacht, und die schon bezahlten und vielfach vorbestellten Bücher wären sonst in die Konkursmasse gewandert.

Ins Kino gehen viele Leute, Besprechungen lesen schon weniger, aber wer kauft eigentlich Filmbücher außer Filmstudenten? Durchaus auch Leute, die einfach nur ins Kino gehen, meint Dieter Bertz. „Unsere Bücher schulen den Blick für das, was auf der Leinwand geschieht.“ Und sie stellten es in einen politischen und kulturellen Kontext. Nicht umsonst wurden bereits drei Monografien aus der Reihe „Film“, dem Flagschiff von Bertz und Fischer, zu „Filmbüchern des Jahres“ gewählt. Die Monografien über Regisseure vereinen die Creme der deutschen Filmautoren, sind knackig und kenntnisreich geschrieben und vor allem üppig mit Bildsequenzen bebildert. Das Buch über Alfred Hitchcock, herausgegeben von Lars-Olav Beier und Georg Seeßlen, schmücken 1500 Fotos. „Vor uns hat niemand so mit Screenshots gearbeitet“, sagt Dieter Bertz. „Da waren wir 1997 echte Trendsetter.“ Und verkauften Lizenzen nach England und USA.

Und wie kommt ein kleiner Verlag zu renommierten Autoren? Die Basis sei die leidenschaftliche Liebe zum Kino, meinen die Verleger. Es habe sich halt rumgesprochen, dass sie Bücher mit Anspruch machen. Volontärin Barbara Heitkämper, 30, ist deshalb extra aus Münster zu Bertz und Fischer gekommen. Was ihre Chefs für Leute sind? „Teamplayer. Katrin und Dieter binden mich voll mit ein.“ Nur weil die Atmosphäre locker ist, sei es aber kein Beinhochlegejob. „Gerade jetzt haben wir richtig Stress.“

Konflikte gebe es reichlich, sagt Katrin Fischer. Und Dieter Bertz, der seit 17 Jahren nicht nur Geschäftspartner ist, fügt lakonisch hinzu: „Der Verlag ersetzt die Paartherapie.“ Ob es hier öfter wie im Film zugeht? „Nö“, sagt Katrin Fischer, „eher wie im absurden Theater.“

Während der Berlinale stehen die Verleger nicht nur auf Empfängen herum, sondern auch häufig am Büchertisch im vierten Stock des Filmhauses. Gleichzeitig läuft der Vertrieb auf vollen Touren. „Zur Berlinale müssen die Bücher in den Buchhandlungen sein“, sagt Katrin Fischer. Und was haben die beiden Filmbuchverleger zukünftig vor? Jetzt, wo der Verlag endlich kleine schwarze Zahlen schreibt. „Arbeitszeitverkürzung“, antwortet Katrin Fischer. „Ja, und zwar bei vollem Lohnausgleich“, fügt Dieter Bertz hinzu.

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