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Im Rahmenprogramm. Hajo Schäfer und Sebastian Brose, hier im Babylon-Kino am Rosa-Luxemburg-Platz, leiten seit zehn Jahren das Filmfest „Achtung Berlin“.

© Mike Wolff

Kinofestival "Achtung Berlin": 90 Mal spielt Berlin eine große Rolle

Vor zehn Jahren gründeten Hajo Schäfer und Sebastian Brose das Kinofestival „Achtung Berlin“. Absperrgitter gibt es dort noch immer keine, die Stars kommen einfach mit dem Fahrrad. Und das Programm ist sehenswert.

Hajo Schäfer steht im Babylon-Kino am Rosa-Luxemburg-Platz vor verlassenen Zuschauerreihen. Für einen Moment läuft in seinem Kopf ein ganz eigener Film – der von Premierenfieber, Ehrengästen und Publikumsandrang. „Für mich ist das immer der schönste Moment, hier im Saal zu stehen, das Kino ist voll und eine Wahnsinnsstimmung entsteht“, schwärmt er. Bis Mittwochabend der kommenden Woche muss er sich gedulden. Dann eröffnet er zum zehnten Mal sein Filmfestival „Achtung Berlin – New Berlin Film Award“.

Schäfers Partner Sebastian Brose steht neben ihm und packt ebenfalls Erinnerungen aus. An die Vorstellung einer Dokumentation über die Frisbeescheibe etwa: „Das war hier proppenvoll, und die Frisbees sind durch den Saal geflogen.“ Oder als ein Film mittendrin streikte und die anwesenden Schauspieler die Geschichte einfach im Saal zu Ende spielten.

Mit dem Rad zum Festival. Daniel Brühl mag's unkompliziert.
Mit dem Rad zum Festival. Daniel Brühl mag's unkompliziert.

© dpa

Hajo Schäfer, 44, und Sebastian Brose, 43, sind Gründer und Leiter von „Achtung Berlin“. Zum zehnten Jubiläum haben sie rund 90 Filme ins Programm geholt: Eine Woche lang laufen an fünf Berliner Standorten Spielfilme, Dokumentationen und Kurzfilme, die in der Hauptstadtregion produziert oder gedreht wurden. Die Festivalmacher ziehen dabei den Bogen vom Nachwuchs bis zu etablierten Filmemachern.

Das Goethe-Institut macht mit

„Berlin ist das Epizentrum des deutschen Films“, sagt Hajo Schäfer. Im ersten Jahr waren es noch 4000 Festivalbesucher, im vergangenen Jahr zählten Schäfer und Brose schon 14 000 Zuschauer bei „Achtung Berlin“, dem inzwischen drittgrößten Filmfestival der Stadt. In Kooperationen mit Goethe-Instituten etwa zeigen sie außerdem Teile ihres Programms in Tel Aviv, Moskau, Lahore, Toronto. „Die sind alle ganz verrückt nach Berlin“, sagt Brose.

Doch weil der Hype um deutsche Filmstars ein anderer ist als der um Hollywood, erleben sie ihr Festival auch nach zehn Jahren noch als sehr ungezwungen. „Es ist wie ein Familientreffen“, sagt Hajo Schäfer. „Wir stellen die Leute einander vor, hier hat man auch noch Zeit, Gespräche zu führen. Absperrgitter wird es bei uns nie geben.“

Daniel Brühl kam mit dem Fahrrad

Bei welchem Festival kommt es sonst vor, dass Daniel Brühl mit dem Fahrrad vorfährt und vor dem Kino anschließt? Hajo Schäfer muss bei dieser Erinnerung lachen, so seltsam erscheint selbst ihm der Gedanke. Er ist sicher, dass es auch die Filmleute genießen, „dass da nicht ständig ein Scheinwerfer auf sie gerichtet ist“ – anders als bei anderen Festivals wie etwa in Cannes, um das sich auch der diesjährige Eröffnungsfilm „Männer zeigen Filme und Frauen ihre Brüste“ dreht. Doch natürlich leben Festivals auch von den Bildern, die dabei entstehen, das wissen Schäfer und Brose inzwischen. „Wir mussten erst lernen, auch mal einen roten Teppich auszurollen“, sagt Schäfer. Mit „Achtung Berlin“ wurden auch die Festivalleiter im vergangenen Jahrzehnt erwachsener – und Familienväter.

Beide wohnen mit ihren Familien in Prenzlauer Berg, Brose mit seinen sechs und zwei Jahre alten Kindern, Schäfers Nachwuchs ist drei Jahre alt – und in besonderer Hinsicht auch ein Festivalsprössling. Denn seiner Partnerin ist Schäfer begegnet, als sie einen Splatterfilm für das Programm von 2009 eingereicht hatte. Während Sebastian Brose schlecht wurde bei der Sichtung, dachte Hajo Schäfer: „Diese Frau würde ich gerne kennenlernen.“ Wenig später traf er sie auf einer Party.

In der Festivalleitung sind beide nach wie vor an allen Prozessen beteiligt: Filmsichtungen, Auswahl, Organisationskram aller Art. Ab 1. oder 2. Januar gehe es richtig los, Jahr für Jahr, „und dann bis zum letzten Tag des Festivals“, sagt Schäfer. Regulär haben sie 15 Mitarbeiter – mit der heißen Phase rund um das Festival sind es insgesamt 60 Helfer.

Kennengelernt haben sich Schäfer und Brose mit Anfang 30, auf einer Feier gemeinsamer Freunde in Lichtenberg. Sie merkten sofort, dass sie eines teilten: die Liebe zum Film. Brose holte Schäfer in die Organisation des Poesiefestivals der „Literaturwerkstatt Berlin“. Schäfer hatte schon für mehrere Filmfestivals gearbeitet und hegte die Idee zum eigenen Festival.

Das deutsche Kino sei damals für zwei Extreme bekannt gewesen, sagt er: die flachen Komödien der Neunziger und abgehobenes, schwer zugängliches Autorenkino. Er wollte forschen, was dazwischen ist. Fast ein Jahr lang schickte er sich mit Brose das Konzept dazu in überarbeiteten Versionen per E-Mail hin und her. „Wir wollten nicht underground ein paar Filme zeigen“, sagt Sebastian Brose. „Uns war klar: Wir brauchen eine Finanzierung und Partner.“ Im Herbst 2003 reichten sie das Konzept für eine Förderung durch den Hauptstadtkulturfonds ein. Im Frühling darauf kam die Zusage. Brose sagt: „Es war ein positiver Schock: Jetzt müssen wir’s wirklich machen.“

Jedes Jahr muss Geld beschafft werden

Seither haben sie die Finanzierung Jahr für Jahr neu gesichert, auch über das Medienboard Berlin-Brandenburg. „So ab dem sechsten, siebten Jahr kam irgendwann die Perspektive, es bis zur Zehn zu schaffen“, sagt Brose. Doch hundertprozentig verlassen kann man sich auf die Förderung nie. Einen Förderkreis einzurichten, sei langsam überfällig, sagt Schäfer. Brose wünscht sich feste Büroräume. Ganz ausgewachsen ist das Festival noch nicht.

Zum Jubiläum machen sie sich selbst ein Geschenk: eine Retrospektive, die sich nicht nur um Berlin als Filmstadt dreht, sondern „Berlin im Film“ zeigt, mit Filmen der vergangenen 25 Jahre. Der rote Teppich gilt dann der Stadt selbst – und ein bisschen auch dem Geburtstagskind, ihrem Festival, das Berlin seit zehn Jahren als Filmhauptstadt feiert.

Das Festival läuft vom 9. bis 16. April. In den Wettbewerben „Made in Berlin-Brandenburg“ laufen zehn Spiel- und zehn Dokumentarfilme. Die Retrospektive „Berlin im Film“ zeigt Filme der letzten 25 Jahre, die den Fokus auf die Hauptstadt legen. Die Filme laufen an fünf Orten in Mitte und Friedrichshain: Babylon Kino, Kino International, Volksbühne, Filmtheater am Friedrichshain, Tilsiter Lichtspiele.

Zum zehnten Jubiläum präsentieren die beiden Festivalfotografinnen Christine Kisorsy und Yvonne SzalliesDicks vom 10. bis 16. April die Ausstellung „Zehn“ im Café Luxemburg, Rosa-Luxemburg-Str. 30 in Mitte

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