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Berlin: Kirche hilft Kiez – mit ansteckendem Engagement

Der heilige Christophorus hat Pilger sicher über den Fluss gebracht. Er steht als Holzfigur in der katholischen Kirche in der Neuköllner Nansenstraße.

Der heilige Christophorus hat Pilger sicher über den Fluss gebracht. Er steht als Holzfigur in der katholischen Kirche in der Neuköllner Nansenstraße. Aber sein Geist, so könnte man etwas pathetisch sagen, durchweht die ganze Gemeinde, die nach ihm benannt ist. Ohne ihn würde zum Beispiel der mittellose indische Asylbewerber jetzt nicht im Pfarrhaus wohnen, sondern wäre womöglich auf Berlins Straßen untergegangen. „Kirche läuft bei uns nicht hinter geschlossenen Türen ab“, sagt Pater Kalle Lenz. An Gott zu glauben, bedeutet für ihn, anderen zu helfen. Dieser Einsatz geschieht oft im Engagement von haupt- und ehrenamtlichen Teams. Peter Becker, Lissy Eichert und Kalle Lenz bilden das Seelsorge-Team.

Im „Reuter-Kiez“ gibt es für sie jede Menge zu tun: Ein Drittel der Leute hier sind arbeitslos, die Hälfte sind Ausländer, es gibt immer mehr alleinerziehende Mütter, die von Sozialhilfe leben. Vor elf Jahren sind Pater Lenz, Lissy Eichert und Bruder Klaus Schneider hierher gekommen, haben das Projekt „Kirche im sozialen Brennpunkt“ gegründet und losgelegt. Mehr als 200 Menschen treffen sich jede Woche in unterschiedlichen Gruppen im Gemeindesaal. Heute Abend sind es mehrere Dutzend Obdachlose, die immer freitags im Winter bekocht werden und übernachten können.

Nachbarinnen bereiten Spaghetti, backen Kuchen und schwärmen nebenbei von der Begeisterungsfähigkeit der drei Seelsorger, von ihrer besonderen Spiritualität und ihrem konsequenten Einsatz für Hilfesuchende. 3600 Mitglieder hat die Gemeinde, immer wieder lassen sich Leute anstecken und arbeiten freiwillig mit. Vielleicht wirkt die Gemeinde deshalb so erfrischend, weil sie Neues ausprobiert. Schon die geistliche Gemeinschaft, in der Lenz, Eichert und Bruder Klaus Schneider im Pfarrhaus zusammenleben, ist ungewöhnlich. Sie teilen, was sie besitzen, geben sich selbst Verpflichtungen und mühen sich um einen solidarischen Lebensstil. Die Energie, die sie daraus ziehen, geben sie auch den Alleinerziehenden weiter, den Alten im Kiez und den Langzeitarbeitslosen, mit denen Bruder Klaus Schneider Wohnungen saniert. Manche kamen danach auf dem ersten Arbeitsmarkt unter. Bei allem Besonderen werden die alltäglichen Aufgaben nicht vernachlässigt: Besuche in den umliegenden Krankenhäusern und Pflegeheimen, die Ausflüge mit Jugendlichen. Dazu kommen tägliche Gottesdienste und Sonntagsmessen, Nachtgebete und Meditationen.

Würde sich soziales Engagement finanziell lohnen, das Team von St. Christophorus bräuchte sich keine Sorgen zu machen. In der Realität sieht es so aus, dass das Gute nur getan werden kann, weil die Mitarbeiter unermüdlich und mit viel Fantasie Spenden eintreiben. Vor einem Jahr hat ihnen auch noch das Erzbistum das Geld für die Pfarrsekretärin, den Küster und den Organisten halbiert. Statt zu jammern hat die Gemeinde mehr als 100 Leute überredet, monatlich 20 Euro zu zahlen. Das reicht noch nicht ganz, um die Stellen zu refinanzieren, aber fast.

„Nur wenn man sich mit anderen zusammentut, hat man Erfolg“, sagt Pfarrer Lenz. Deshalb arbeiten die drei auch in Kiez-Initiativen mit, beim Quartiersmanagement und bei verschiedenen Asyl-Gruppen. So kann Kirche auch heute und selbst im atheistischen Berlin Knotenpunkt im Kiez sein – wenn sie sich nicht abschottet und Lust auf Neues hat.

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