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© Doris Spiekermann-Klaas

Kirche: Schlummernde Schätze

Auf ihrer Frühjahrstagung diskutiert die evangelische Kirche über Kunst. Vielen Gemeinden fehlt der Mut neue Kunstwerke in Auftrag zu geben.

Das Gesicht von Johann Hinrich Wichern ist beschädigt, und auch an der Schulter ist das Portrait des Diakonie-Pioniers in keinem guten Zustand. Mehr als 40 Jahre lang war es im Chorraum der Weddinger Stephanus-Kirche unter weißer Farbe verborgen. Erst zum 200. Geburtstag des Theologen, der von der evangelischen Kirche deutschlandweit in diesem Jahr begangen wird, entschied sich die 7000 Mitglieder zählende Kirchengemeinde dafür, es fachgerecht freilegen und wiederherstellen zu lassen.

Im Zweiten Weltkrieg hatte das Gotteshaus an der Soldiner Straße sein Dach verloren. Doch für eine komplette Wiederherstellung des 1904 errichteten Bauwerks fehlte später das Geld. „Zur Kunst hatte die Kirche damals ohnehin ein angespanntes Verhältnis“, sagt Gemeindepfarrer Michael Glatter. „Die evangelische Kirche war eine Kirche des Wortes – nichts und niemand sollte die Besucher vom Gottesdienst ablenken.“ Schon gar nicht die Helden der Vergangenheit. Heute bemüht sich die evangelische Kirche um einen anderen Umgang mit ihren Kunstschätzen. „Kunst als Medium der Verkündigung“ lautet eines der Themen der Landessynode, des evangelischen Kirchenparlaments, das in der Berliner Sankt-Matthäus-Kirche gestern Abend seine Frühjahrstagung eröffnete.

Schon seit Mitte der 90er Jahre bemüht sich etwa die Kulturstiftung Sankt Matthäus verstärkt um den Dialog zwischen der Kirche und der modernen Kunst. Vielen Gemeinden fehlt aber nach wie vor der Mut, neue Kunstwerke in Auftrag zu geben, kritisiert die Kulturbeauftragte der evangelischen Kirche, Petra Bahr. „Die alte Kunst in unseren Kirchen ist das religiöse Gedächtnis der Christen, die vor uns lebten“, sagt die Theologin. „Heute müssen wir uns fragen lassen, was wir eigentlich der Generation, die nach uns kommt, hinterlassen wollen.“

In der Weddinger Stephanus-Gemeinde ist man indes froh, wenn man es schafft, die für die Restaurierung des Wichern-Portraits nötigen 3050 Euro Spenden zusammenzubringen. Die Restaurierung des Wichern-Gemäldes sei der Gemeinde wichtig gewesen. Denn gerade für die Christen im Soldiner Kiez, der im Berliner Sozialstrukturatlas den letzten Platz erreichte, könne der Pionier der Diakonie auch heute noch ein gutes Vorbild sein. Benjamin Lassiwe

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