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Berlin: Kita-Brand-Prozess endet mit Geldbußen

Das Verfahren gegen fünf Erzieherinnen wurde eingestellt. Sie stritten Verantwortung für die verletzten Kinder ab

Jeden Tag spüren sie die Blicke. Dieses Anstarren. „Mama, ich bin nicht mehr hübsch“, sagt der kleine Justin. Fast vier Jahre ist es her, dass Justin und sein Freund Tobias bei der Probe zu einem Krippenspiel in der Kindertagesstätte des Evangelischen Johannesstiftes in Spandau plötzlich in hellen Flammen standen. War es Fahrlässigkeit der Erzieherinnen, die zu den schweren Verbrennungen der damals dreijährigen Jungen führte? Auf Druck der Eltern kam es gestern zu einer Verhandlung vor dem Amtsgericht Tiergarten. Doch die Fragen blieben unbeantwortet.

Nach knapp vier Stunden war der Prozess gegen die Kita-Leiterin, ihre damalige Stellvertreterin und drei Erzieherinnen beendet. Die Richterin stellte das Verfahren „mit Zustimmung aller Prozessbeteiligten“ gegen Geldbußen ein. Die fünf angeklagten Frauen müssen jeweils 2000 Euro an eine Elterninitiative für brandverletzte Kinder zahlen. Die Eltern der Jungen gaben ihr Einverständnis zu diesem Prozessende nicht zuletzt, um den bis heute von dem Brand gezeichneten Jungen Aussagen vor Gericht zu ersparen.

„Wir wissen nicht genau, was geschah“, sagte die Richterin am Landgericht. Nur so viel steht fest: Als Schäfchen verkleidet sollten Tobias und Justin kurz vor Weihnachten 1999 beim Krippenspiel auf der Bühne stehen. Die Eltern hatten viele Wattebäuschchen auf die T-Shirts geklebt. Etwa zehn 23 Kinder trugen brennende Kerzen mit beklebten Pappdeckeln als Tropfschutz. Die Kerzen waren etwa 20 Zentimeter lang. Plötzlich gingen Tobias und Justin in Flammen auf. Wochen und Monate lagen sie mit Verbrennungen zweiten und dritten Grades im Gesicht, an Armen und Händen im Krankenhaus.

Tobias soll seiner Mutter später erzählt haben, er und Justin hätten selbst Kerzen bekommen. Sie hätten sie als Schwerter benutzt. Auch andere Kinder berichteten das. Doch Beweise fehlten. Ende 2000 wurde das Verfahren eingestellt. Erst auf Beschwerde der Eltern und Nachermittlungen kam es doch noch zum Prozess. Zu einer Aussage vor Gericht war jedoch nur eine der Angeklagten bereit.

Die 44-Jährige beteuerte immer wieder: „Es waren nicht die Kerzen, es muss etwas anderes gewesen sein.“ Sie sprach von einem „chemischen Prozess“, von einer „statischen Aufladung“. Kaum jemand im Saal konnte ihre Version nachvollziehen. Nur die älteren Kinder hätten Kerzen bekommen, sagte die Frau. „Wir drei Erzieherinnen hatten alle Kinder im Blick.“ Tobias und Justin hätten unter einem Tisch gelegen und wie alle Kinder artig auf die Anweisungen gewartet. „Da hat keiner gezappelt, es war eine absolut ruhige Atmosphäre.“

Während die anderen Angeklagten schwiegen, liefen der 44-Jährigen Tränen übers Gesicht. „Ich habe dann nur die brennenden Kinder gesehen.“ Sie sei zu den Jungen gestürzt. „Es wird mich ein Leben lang begleiten.“ In ihrem Beruf könne sie nicht mehr arbeiten. „Die Ängste wären zu groß.“ Den Schritt in Richtung der Eltern der Jungen, die als Nebenkläger am Prozess beteiligt waren, scheuten alle fünf Frauen. Dieses Schweigen hatten die Eltern immer wieder erlebt. „Wir haben erwartet, dass man auf uns zu geht“, sagte die Mutter von Tobias. Doch da sei nichts gekommen.

Trotz der Einstellung des Verfahren zeigten sich die Eltern zufrieden: „Es ist ein Abschluss“, sagte die Mutter von Justin.

Kerstin Gehrke

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