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Schneller an einen Kita-Platz zu kommen, wünschen sich viele Eltern.

© dpa

Kita-Plätze in Berlin: Schluss mit der Kindergarten-Lotterie!

Zu früh, zu spät, Platz 531 auf der Warteliste – in Berlin läuft ein chaotisches Wettrennen um Kita-Plätze. Dabei reicht das Angebot in vielen Kiezen eigentlich aus. Was fehlt, ist ein System bei der Vergabe.

Uns ist ein Kindlein geboren, jetzt möchten wir es gern in eine Krippe geben. Wir verzichten auch auf alle heiligen Könige, himmlischen Heerscharen, Hirten oder Herden. Denn die ebenfalls in der Weihnachtsgeschichte prominent erwähnten Hürden haben wir schon zur Genüge kennen gelernt. Eigentlich hat unsere Tochter ab kommendem August, wenn sie ihren ersten Geburtstag gefeiert hat, einen gesetzlichen Anspruch auf einen Betreuungsplatz. Leider sind wir nun auf das Problem des Vergabesystems für Krippenplätze gestoßen: Es gibt kein System.

Für Eltern ist der frühzeitige Anruf bei diversen Kindertagesstätten so selbstverständlich wie die Suche nach einem zeitlos schönen Vornamen. Wir gingen systematisch vor: Wir warteten bis nach der Geburt, besichtigten einige Kitas, lernten Atmosphäre und Erzieher kennen. Und bewarben uns nur dort, wo es uns gefiel. Nach der ersten Absage begannen wir allerdings, an dieser Strategie zu zweifeln. Was wäre, wenn wir keinen Platz bekämen? Wer würde unsere Tochter betreuen? Was würde aus unseren Jobs? Elementare Fragen für junge Eltern.

Lars Spannagel
Lars Spannagel

© Kitty Kleist-Heinrich

Wir wollen für unsere Tochter keine Elite-Kita, die sie mit Frühchinesisch traktiert, vegan ernährt und aufs Masterstudium vorbereitet, bevor sie rutschen kann. Wir wünschen uns eine nicht allzu weit von unserer Wohnung entfernte Krippe, in der sie sich wohlfühlt, Spaß hat, Freunde findet. Und ist es zu viel verlangt, dass wir die Menschen gerne kennenlernen möchten, denen wir unser Kind anvertrauen?

Um diesen Wunsch wahr werden zu lassen, scheint man alle halbwegs in Wohnnähe liegenden Kitas, Kinderläden und Tagesmütter abtelefonieren zu müssen. Mal kommen diese Anrufe viel zu spät, mal viel zu früh. Manche Leiterinnen nehmen sich eine Stunde Zeit, führen die Eltern durchs Haus und erläuterten ihr pädagogischen Konzept. Bei anderen Kitas darf man sich auf eine Liste setzen, es gibt nicht einmal ein Gespräch. Ein Kollege aus Prenzlauer Berg berichtet, er habe mit seiner Frau eine Woche Urlaub genommen, um einen Krippenplatz zu suchen – fünf Monate vor der Geburt. Bei einer Kita landeten sie auf Warteplatz 531, bei der nächsten konnten sie sich einfach anmelden. Wenn einen so etwas nicht in den Wahnsinn treibt – was dann?

Die meisten Kinder stehen auf Dutzenden Wartelisten gleichzeitig.

Schwierige Suche. Einen Kitaplatz für den Nachwuchs zu finden, ist in Berlin eine ziemliche Herausforderung.
Schwierige Suche. Einen Kitaplatz für den Nachwuchs zu finden, ist in Berlin eine ziemliche Herausforderung.

© dpa

Die Entscheidung, sein Kind früh in fremde Hände zu geben, ist schwer genug. Noch schwerer wird sie, wenn man das Gefühl hat, Teil eines völlig chaotischen Wettrennens ohne Regeln zu sein. Der berlinweit gültige Kitagutschein sollte ursprünglich durch die Konkurrenz zwischen den Einrichtungen für mehr Qualität sorgen, inzwischen schürt er den Konkurrenzkampf zwischen den Eltern. Dabei gibt es in unserem Kreuzberger Kiez eigentlich ein ausreichendes Angebot, laut Kita-Bedarfsatlas des Senats besteht „aktuell eine Überausstattung mit Kitaplätzen. Die Kinderzahlen steigen an.“ Es gibt aber das Grundproblem, dass die meisten Kinder – und längst nicht nur die aus unserer Gegend – auf Dutzenden Wartelisten stehen.

Berlin investiert 2012/2013 rund 20 Millionen Euro in den Ausbau des Kita-Angebots. Das ist richtig und notwendig. Was aber zusätzlich fehlt, ist ein System, das die vorhandenen Plätze verwaltet. Niemand möchte einen Platz irgendwo zugewiesen bekommen, die aktuelle Kinder-Lotterie ist aber auch keine Lösung. Die Eltern machen sich verrückt und terrorisieren die Einrichtungen mit Anrufen. Die Kitas, Kinderläden und Tagesmütter werden überrannt und haben am Ende oft doch noch Schwierigkeiten, ihre Plätze zu besetzen, weil die Kinder auf ihrer Liste auch auf 30 anderen Listen standen und längst anderswo untergekommen sind. Dabei haben Eltern und Erzieher eigentlich Besseres zu tun – sich um die Kinder zu kümmern.

Mein Bruder ist ebenfalls vor kurzem Vater geworden, er wohnt in Norwegen. In Oslo trägt man bis Ende März seine fünf Wunschkitas in ein Online-Registriersystem ein. Im Mai bekommt man Bescheid, wo man sein Kind ab August betreuen lassen kann. Mein Bruder wirkt übrigens recht entspannt, wenn wir über das Thema Kitaplatz sprechen.

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