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Und wo ist unser Erzieher? Zu viele Kinder bevölkern offenbar Berlins Kitas.

© dpa

Kitaplätze in Berlin: Berlin hat die meisten Kinder pro Erzieher in den Krippen

Berlin erlebt ein Kita-Debakel. Die Hauptstadt ist das schlechteste Bundesland in der Betreuungsstatistik der unter Dreijährigen: Auf knapp sieben Kinder gibt es nur einen Erzieher.

Kleinkinder haben bundesweit die schlechtesten Bedingungen beim Kita-Personal: Eine Erzieherin muss fast sieben Kinder betreuen. Im Bundesschnitt sind es drei Kinder weniger pro Gruppe. Dies geht aus aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes hervor. Die Jugendverwaltung bestätigte die Angaben. "Wir haben das mit Bestürzung wahrgenommen“, sagte Sprecher Ilja Koschembar auf Nachfrage des Tagesspiegel. "Das neu formulierte Bildungsprogramm oder auch das bald überarbeitete Sprachlerntagebuch werden Papiertiger bleiben, wenn der Betreuungsschlüssel nicht endlich verbessert wird. Mit der jetzigen Ausstattung wird die Qualität nicht steigen, mahnte der Landeselternausschuss.

In Baden-Württemberg kommen drei Kinder auf eine Kraft

Die Unterschiede zwischen den Ländern sind immens. Mit einem Personalschlüssel von einer Erzieherin auf 3,1 Kinder verfügte Baden-Württemberg über das beste Betreuungsverhältnis, gefolgt von Bremen und Rheinland-Pfalz. Am anderen Ende der Skala sind Brandenburg mit 6,3 Kindern und Sachsen-Anhalt (1:6,4) und Sachsen (1:6,5). „Den bundesweit höchsten Personalschlüssel gab es mit 1:6,6 in Berlin“, heißt es in dem Bericht der Bundesstatistiker.der seit Ende 2014 vorliegt.Bundesweit waren es genau 4,4 Kinder.

Etwas besser sieht es bei den Zwei- bis Achtjährigen aus. Hier betreut eine Erzieherin im Bundesschnitt neun Kinder, in Berlin sind es 9,5. Wenn man alle Kita-Kinder zusammen betrachtet, also die Null- bis Achtjährigen, liegt Berlin zusammen mit Sachsen am Schluss mit 7,9 Kindern pro pädagogischer Kraft. Dem gegenüber steht ein bundesweiter Schnitt von 5,0Kindern.

Landeselternsprecher Norman Heise sieht in den Befunden der Statistiker eine Bestätigung seiner Forderung nach einer besseren Personalausstattung. „Die Zahlen belegen das, was die Eltern in den Kitas erleben“, sagte er auf Anfrage. Der Landeselternausschuss der Kitas (LEAK) hat einen Forderungskatalog vorgelegt, dessen Umsetzung den Alltag in den Kitas verbessern soll. Dazu gehört eine besserer Personalschlüssel, der die durchschnittlichen Krankheitstage der Fachkräfte ebenso aus den Berechnungen herausnimmt wie den Urlaubsanspruch.

Der Sprecher der Jugendverwaltung Koschembar erinnerte daran, dass Berlin ungeachtet des schlechten Personalschlüssels mit seinen Ausgaben von 4600 Euro pro Jahr und Kitaplatz vorn liegt. Bundesweit werden nur 3500 Euro ausgegeben. Dies könnte damit zusammenhängen, dass Berlin für die letzten drei Kitajahre die Elternbeiträge gestrichen hat. LEAK und auch Teile der Opposition hatten immer wieder davor gewarnt, dass sich die Kostenfreiheit zuungunsten der Qualität auswirken werde. Die Beitragsfreiheit hatte die SPD unter Klaus Wowereit durchgesetzt, um die Kita-Besuchsquote zu steigern. Derzeit baut Berlin die Kitas aus und will sich dabei vor allem sozialen Brennpunkten widmen. Allerdings wird durch die gerade beschlossene Abschaffung der Früheinschulung noch mehr Druck auf die Kitaauslastung erwartet.

Als weiteren Grund für die hohen Kosten in Berlin nannte Koschembar die Tatsache, dass in Berlin die Inklusion sehr früh beginne. Die Betreuung der Förderkinder sei sehr kostenintensiv. Im Übrigen gebe Berlin pro Jahr 1,3 Milliarden Euro für die Kitas aus.

Der Bundesvergleich scheiterte bislang - jetzt kam der Durchbruch

Die neuen Betreuungszahlen sind deshalb so brisant, weil Berlin bislang nie dabei war, wenn die Bundesstatistiker ihre Berichte herausgaben. Die Jugendverwaltung hatte sich mit Hinweis auf eine andere Berechnungsgrundlage stets außerstande gesehen, Zahlen zu liefern. In diesem Jahr wollte sich das Bundesamt offenbar nicht abspeisen lassen, sodass das Statistische Landesamt eine Umfrage in allen Kitas startete, wie Koschembar erläuterte. In Zusammenarbeit mit der Jugendverwaltung sei dann die Betreuungsrelation ermittelt worden. Das statistische Problem bestand laut Koschembar bislang darin, dass die anderen Bundesländer bestimmte Gruppengrößen festlegen, während Berlin den Bedarf pro Kind definiert.

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