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Berlin: Kitas: Eltern zahlen nicht

Bezirke haben Außenstände von mehreren Millionen Euro

Die Zahlungsmoral der Berliner Eltern lässt zu wünschen übrig. Auf mehrere Millionen Euro summieren sich die Außenstände bei den Kitabeiträgen. Schätzungsweise 10 000 „Kündigungsandrohungen“ pro Jahr müssen die Jugendämter verschicken, damit die Eltern überhaupt bezahlen. Wenn auch dies nicht hilft, werden jährlich hunderte Kinder – meist vorübergehend – vom Kitabesuch ausgeschlossen. Nun wollen einige Jugendämter erreichen, dass der Kitabeitrag gleich von der Sozialhilfe abgezogen wird, um die Außenstände zu reduzieren.

Allein in Neukölln wurde im vergangenen Jahr knapp 3000 Mal mit Kündigung des Kitaplatzes gedroht, weil die Eltern monatelang nicht gezahlt hatten. Zuvor waren sie bereits schriftlich gemahnt worden – ohne Erfolg. „Als nächstes bitten wir die Kitaleitung, mit den Eltern zu sprechen“, erläutert Jugendstadtrat Thomas Blesing (SPD) den Verfahrensgang. Das helfe meistens.

Erst wenn sich dann wieder nichts tut, kommt die „Kündigungsandrohung“, die in den meisten Fällen zur sofortigen Beitragszahlung führt. Letztlich blieben 2002 in Neukölln 166 Kinder „übrig“, bei denen die Kündigung ausgesprochen wurde. Knapp 530 000 Euro Außenstände – darunter etwa 100 000 aus den Vorjahren – haben sich in Neukölln angesammelt.

Angesichts dieser Zahlen will Blesing jetzt die Notbremse ziehen: Da viele der Schuldner Sozialhilfe beziehen, hat er sich mit dem Sozialamt darauf geeinigt, bei der Kitagebühr zusammenzuarbeiten: Jetzt sollen die Sozialamtsmitarbeiter die Hilfeempfänger bitten, eine Einverständniserklärung zu unterschreiben, wonach der Kitabeitrag gleich von der Sozialhilfe abgezogen werden könnte. Der Mindestbeitrag von 48 Euro, der das Essensgeld bereits enthält, macht rund ein Drittel des Sozialhilfesatzes für ein Kind unter sieben Jahren aus.

Auch andere Bezirke kommen inzwischen zu der Einsicht, dass es vernünftig ist, das Problem auf diesem Weg wenigstens teilweise zu lösen. „Das ist eine gute Idee“, kommentiert etwa Blesings Reinickendorfer Kollege Peter Senftleben (SPD) den Neuköllner Vorstoß. Auch in Reinickendorf gibt es hohe Außenstände: immerhin fast 400 000 Euro bei insgesamt 8000 betreuten Kindern. 150 bis 200 Mal im Monat muss eine Kündigung angedroht werden – viel zusätzliche Arbeit für die acht Mitarbeiter in der Abteilung „Kosteneinziehung“.

Den anderen Bezirken geht es nicht besser. So fehlten 2002 in Lichtenberg und Charlottenburg-Wilmersdorf rund 150 000 Euro in der Kasse, in Treptow-Köpenick und Marzahn-Hellersdorf weit über eine halbe Million Euro. Nur in Einzelfällen verzichtet ein Bezirk auf die Kitagebühr: Das passiert dann, wenn eine Familie – etwa durch einen Unfall – plötzlich in Not geraten ist. Oder wenn die Gefahr besteht, dass die Kinder durch Kita-Kündigung Schaden nehmen: „Wer möchte ein kleines Kind aus der Kita werfen, dessen großer Bruder ein stadtbekannter Krimineller ist?“, fragt ein Stadtrat. Unterm Strich sind von Berlins 137 000 Kita-Kindern schätzungsweise einige hundert – befristet – von der Gebühr befreit.

Auch in sozial weniger belasteten Bezirken gibt es Probleme mit dem Eintreiben der Kitabeiträge. In Spandau etwa haben die Eltern 209 000 Euro Schulden. Hier hat der Landesrechnungshof das Jugendamt auf die Idee gebracht, das Sozialamt beim Eintreiben der Gebühren hinzuzuziehen, wie es in Neukölln jetzt passiert. Noch ist aber nicht klar, ob das Sozialamt dem Jugendamt helfen wird, denn zusätzliche Arbeit bedeutet die Zusammenarbeit auf jeden Fall.

„Die Zahlungsmoral der Eltern ist gesunken“, kommentiert Spandaus Jugendamtsleiter Detlev Nagi die großen Außenstände. Aber er weist auch auf die vielen Eltern hin, die sich für ihre Kitas unheimlich ins Zeug legen: 18 000 Euro haben die Eltern der Kita Melanchtonstraße gesammelt, um eine Spielanlage anzuschaffen. Und in 24 Spandauer Kitas haben Eltern selber renoviert und dafür nur die Materialkosten vom Bezirksamt beansprucht.

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