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Berlin: Klage auf Schwabenersatz

Prenzlauer Berg und die innerdeutsche Zuwanderungsproblematik: Plakat nahe dem Kollwitzplatz gibt Anlass für Diskussionen

Die Botschaft des Plakats, das an einem Stromkasten an der Sredzkistraße in Prenzlauer Berg hängt, ist von nicht unerheblicher Brisanz – gerade in der Gegend um den Kollwitzplatz, einem gutbürgerlichen Wohngebiet mit ausgeprägter innerdeutscher Migrationsproblematik. In A3-Größe steht dort das, was man, wie berichtet, oberflächlich als netten Reisegruß lesen kann: „Ostberlin wünscht Dir eine gute Heimfahrt! Weihnachten 2006“ Darüber sind die Entfernungen zu verschiedenen Städten in Westdeutschland angegeben. Nach Erlangen etwa sind es 430 Kilometer. Und dort will der bislang unbekannte, ausweisewillige Plakatdesigner alle Zugezogenen offenbar gerne sehen. Wenigstens für die Dauer der Feiertage.

Ein Scherz, über den nicht jeder Passant lachen kann. „Nett ist das nicht gerade“, sagt eine junge Frau, die an diesem trüben Dienstagnachmittag das Plakat eingehend betrachtet. Vor sieben Jahren zog sie von Gießen nach Berlin, wohnt nun am Kollwitzplatz und fühlt sich in dieser Gegend auch recht wohl. Sehr zum Missfallen von Paul Schulze. Als gebürtiger Berliner und bekennender Lokalpatriot fordert der 28-Jährige: „Die sollen bloß alle wegbleiben, die Zugereisten.“ Das Plakat jedenfalls sei „die beste Streetart, die ich je gesehen habe“. Darüber schmunzeln muss auch Silke Hopf, ebenfalls gebürtige Berlinerin. Allerdings findet sie die anhaltende Diskussion um die vielen Neuberliner „anstrengend“. „Das ist nicht mehr nötig“, sagt die 30-jährige Studentin. In der Vergangenheit habe sie oft im Ausland gelebt. „Dort will ich ja auch willkommen sein.“ Die Problematik, dass durch aufwendige Luxussanierungen von Wohnhäusern langjährige Einwohner verdrängt werden, weil sie sich die Miete nicht mehr leisten können, hat sie selbst erlebt. Vor Kurzem musste sie ihre Wohnung am Kollwitzplatz aufgeben. Nun wohnt sie in der Schönhauser Allee.

Lioba Zürn-Kasztantowicz, Bezirksstadträtin in Prenzlauer Berg, fühlt sich von dem Plakat nicht angesprochen. Seit zwölf Jahren lebt die gebürtige Stuttgarterin nun schon in Berlin. „Ich bin sehr positiv aufgenommen worden“, sagt die SPD-Politikerin, und ihr schwäbischer Dialekt ist dabei nicht zu überhören. Dennoch seien bestimmte Befindlichkeiten virulent, „in beiden Hälften der Stadt“, wie sie betont. Es gebe nach wie vor Menschen, die „mit dem Bevölkerungsaustausch und gewissen Verdrängungsprozessen“ ein Problem hätten. Bei der Mehrzahl der gebürtigen Berliner hätte sich das mit dem Wissen um die Zukunftsperspektiven des Bezirks jedoch geändert. „Gerade die Neuankömmlinge finanzieren das bunte Leben, das den Prenzlauer Berg ausmacht.“

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