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Schadensbegrenzung. Wegen beschädigter Achsen und Räder fielen S-Bahnen monatelang aus. Jetzt sucht das Unternehmen nach den Schuldigen.

© Thilo Rückeis

Klage gegen Kündigung: S-Bahn bewältigt ihre Krise vor dem Arbeitsgericht

Wer war schuld am S-Bahn-Chaos? Das Unternehmen warf einem Mitarbeiter vor, Radschäden nicht gemeldet zu haben, und kündigte ihm. Vor Gericht endet das Verfahren wahrscheinlich mit einem Vergleich. Bei den Hauptverantwortlichen für das Chaos war die Bahn großzügiger.

Die Organisation durch die Geschäftsführung war äußert mangelhaft und führte zur bisher größten Krise bei der S-Bahn. Doch mitverantwortlich dafür sollen nach Ansicht des Unternehmens auch Mitarbeiter sein, die in verantwortlichen Positionen keine Initiative ergriffen. Deshalb wurde unter anderem der Prüfbeauftragte Detlef K. versetzt, der für die vier Werkstätten zuständig war, in denen Achsen und Räder kontrolliert wurden. Seine am Mittwoch vor dem Landesarbeitsgericht verhandelte Klage endet wahrscheinlich mit einem Vergleich – und zeigte die gravierenden Mängel bei Vorgaben durch die Vorgesetzten, die schon im Prüfbericht einer Kanzlei für den Konzern festgestellt worden waren.

Die S-Bahn hatte im Mai 2009 Vorgesetzte des Prüfbeauftragten per E-Mail informiert, dass sich die Geschäftsleitung verpflichtet habe, die Räder der Fahrzeuge per Wirbelstromdiagnostik regelmäßig auf mögliche Schäden zu prüfen und die Ergebnisse dem aufsichtsführenden Eisenbahn-Bundesamt zu melden. Detlef K. erhielt eine Kopie der Mail. Anweisungen, wie er vorgehen sollte, falls ein Riss in den Achsen oder Rädern festgestellt worden ist, habe es nicht gegeben, sagte Richter Achim Klueß. So habe der Prüfbeauftragte zwar einen gemeldeten Riss in den Unterlagen eingetragen, aber nicht förmlich weitergemeldet. Ein Formular für diesen Dienstweg war erst später entwickelt worden. In einer Arbeitsgruppe mit Vorgesetzten habe er den Riss jedoch gemeldet, sagte der Prüfbeauftragte.

Die Anwältinnen der S-Bahn warfen dem Mann eine „schwerwiegende Pflichtverletzung“ vor; in seiner Position sei ein Mitdenken vorauszusetzen und die Vorgesetzten müssten nicht jeden Schritt vorschreiben. Zudem warf die S-Bahn dem Mann vor, nach festgestellten kritischen Befunden bei acht Rädern nicht dafür gesorgt zu haben, dass die exaktere Magnetpulverprüfung vorgenommen werde. Dies habe er nur anordnen können, sagte K. Überprüfen habe er die Ausführung nicht können. Der Ingenieur, der seit 31 Jahren bei der Bahn beschäftigt ist, hatte die sogenannte Änderungskündigung, also seine Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz mit geringeren Bezügen, unter Vorbehalt akzeptiert und dagegen geklagt. Das Arbeitsgericht hielt die Kündigung für unwirksam; weil der Mann zuvor nicht abgemahnt worden war, was für das Gericht ausgereicht hätte. Dagegen legte die S-Bahn Berufung ein – und reichte weitere Vorwürfe nach.

Doch auch bei der Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht ließ Richter Klueß gestern durchblicken, dass die S-Bahn mit ihren gleich mehrfach ausgesprochenen Kündigungen nicht durchkommen werde und eine Abmahnung gereicht hätte.

Eine Entscheidung zur Rechtmäßigkeit der Kündigungen gab es gestern jedoch nicht. Das Gericht wartet jetzt ab, ob beide Seiten sich auf einen Vergleich einigen können. Denn auch wenn K. mit seiner Klage gegen die Änderungskündigungen Erfolg hätte, könnte er nicht auf seinen alten Arbeitsplatz zurückkehren. Durch organisatorische Änderungen gibt es die Stelle nicht mehr. Jetzt arbeiten die Prüfbeauftragten wieder in den Werkstätten, in denen kontrolliert wird. Dies hätte nach den Vorgaben des Konzern viel früher erfolgen müssen, kritisierte Anwalt Heinz Weiß. Doch auch diese Vorgaben seien vom Konzern zunächst nicht umgesetzt worden.

Die S-Bahn hat dem Ingenieur mehrere andere, weniger gut dotierte Stellen angeboten. Über einen finanziellen Ausgleich könne man reden, sagten die Anwältinnen des Unternehmens. Der Mann könne sich aber nicht sicher sein, dass es diese Stellen noch gebe, wenn der Prozess bis November fortgesetzt werde. So entschloss sich auch der Kläger, den Vergleich zu suchen.

Bei den Hauptverantwortlichen für die Krise war die Bahn großzügiger. Die damaligen vier Geschäftsführer mussten Anfang Juli 2009 zwar ihre Posten räumen, Kündigungen gab es aber nicht. Entweder wurden Monate später Auflösungsverträge, wie mit dem ehemaligen S-Bahn-Chef Tobias Heinemann, vereinbart, oder die Manager wechselten auf andere Positionen im Bahnkonzern. Ob es dabei auch Abstriche bei den Bezügen gab, teilte die S-Bahn nicht mit. Andere Verantwortliche wurden ebenfalls abgelöst und arbeiten jetzt andernorts im Konzern. Klagen gab es dabei nach Bahnangaben nicht.

Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen gegen die ehemalige Geschäftsführung eingestellt, weil den Verantwortlichen kein strafrechtlicher Verstoß nachzuweisen sei.

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