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Beispielsweise die Quote der Gymnasialempfehlungen an den einzelnen Berliner Grundschulen könnte bald öffentlich werden.

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Update

Klage von Spickmich.de: Berlins Schulen müssen interne Daten offenlegen

Die Berliner Schulverwaltung wollte keine Daten über einzelne Schulen herausgeben, deshalb zog der Internetanbieter Spickmich.de vor Gericht. Nun dürften einige Daten öffentlich werden, die die Behörde bisher unter Verschluss hielt.

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Auf der Suche nach einer Schule für ihr Kind werden Familien künftig auf wesentlich mehr Schulleistungsdaten Zugriff haben als bisher. Dies ist das Ergebnis einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am Donnerstag. Demnach muss die Bildungsverwaltung für jede einzelne Grundschule bekannt geben, wie hoch die Zahl der Kinder ist, die am Ende der sechsten Klasse eine Gymnasialempfehlung erhalten. Dies gilt auch für die Abbrecherquoten der weiterführenden Schulen. Die Verwaltung befürchtet Nachteile für Brennpunktschulen. Geklagt hatte – bereits im November 2010 – der kommerzielle Internetdienst Spickmich. Er unterhält bundesweite Onlineportale mit Informationen über Schulen und Lehrer, die von Eltern und Schülern selbst eingegeben werden sollen. Allerdings sind die Daten sehr lückenhaft, so dass es über viele Schulen überhaupt keine Angaben gibt. Das dürfte sich jetzt ändern. Denn Spickmich kann nun von sich aus wichtige Informationen beisteuern. Dies betrifft zum einen die Angaben über die Leistungsfähigkeit der Sechstklässler, die sich in der Gymnasialquote widerspiegeln, und die genannten Abbrecherquoten. Zum anderen hat der Internetdienst von der Bildungsverwaltung auch für jede einzelne Schule die Abiturergebnisse rückwirkend seit 2007 erhalten. An diesem Punkt war die Behörde dem Spickmich-Anliegen schon zu Anfang der Klage 2011 entgegengekommen. Was der Bildungsverwaltung nicht schwerfiel, weil sie bereits zuvor von sich aus beschlossen hatte, die Abiturergebnisse herauszugeben. Dies war Teil des Qualitätspaketes von Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) gewesen. Er hatte auch dafür gesorgt, dass die Schulinspektionsberichte veröffentlicht werden müssen sowie die Ergebnisse des Mittleren Schulabschlusses, sobald im kommenden Jahr der erste Jahrgang die Sekundarschulen vollständig durchlaufen hat.

Die Veröffentlichung der von Spickmich geforderten zusätzlichen Daten ging der Behörde dann aber zu weit, weshalb es am Donnerstag zur Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht kam. Diese endete gleichwohl ohne Urteil, denn die 27. Kammer hatte in der Verhandlung sehr deutlich gemacht, dass die Gegenwehr der Behörde chancenlos ist, und so hatten die Vertreter der Schulverwaltung schließlich ohne Urteil eingelenkt. Sie wirkten angesichts dessen sehr gequält und sahen sogar „den Bildungsauftrag in Gefahr, wenn der Anspruch durchgeht“. Mit nackten Zahlen ohne Einordnung oder Erklärung könne der Bürger doch sowieso nichts anfangen, so das Argument. Es komme zu „Fehlinterpretationen“, wenn der Bürger nichts über das soziale Umfeld der Schulen wisse. Doch der Vorsitzende Richter machte sehr deutlich, dass die Behörde mit dieser Argumentation chancenlos ist. Das Auskunftsrecht setze nicht voraus, dass mit den erteilten Informationen sachgerecht umgegangen werde, so Richter Neumann.

Die Bürger haben Anspruch auf die Informationen

Der Richter machte klar, dass man dem Anspruch aus dem Informationsfreiheitsgesetz nicht etwa das Schulgesetz als Ausschlussgrund entgegenhalten könne, wie die Behörde meinte. Auch ihr Einwand, dass sie doch regelmäßig Berichte über die Schulleistungen veröffentlichte, verfing nicht. Richter Neumann: Der Polizeipräsident veröffentliche auch jedes Jahr eine Kriminalstatistik. „Meinen Sie im Ernst, dass dadurch Einzelanfragen von Journalisten ausgeschlossen werden?“ An den Schulen geht nun erneut die Sorge vor einem „Ranking“ um. „Das wird den Schulen in prekärer Lage nicht helfen“, warnt Inge Hirschmann. Die Vorsitzende des Grundschulverbandes befürchtet, dass „den Brennpunktschulen dann noch mehr Eltern weglaufen“. Ähnlich wie die Schulverwaltung befürchtet sie, dass viele Eltern nicht in der Lage sind, die Daten richtig einzuordnen. Auch Özcan Mutlu von den Grünen warnte vor einem Ranking. Dennoch sieht er „keinen Grund für Geheimniskrämerei“. "Es bringt doch nichts, die Augen vor der Realität zu verschließen", findet Hildegard Bentele (CDU). Und auch Martin Delius (Piraten) traut den Eltern zu, mit den Daten umzugehen. Die Verwaltung müsse sie aber „erklären“. Wie das gehen soll, blieb aber am Donnerstag unklar: Schließlich habe die Verwaltung keinen Zugriff auf Spickmich, wandte ein Schulleiter ein.

"Spickmich.de" ist ein Portal, auf dem Schüler ihre Lehrer in verschiedenen Kategorien wie "fachlich kompetent", "gut vorbereitet", "faire Noten", aber auch "cool und witzig" oder "beliebt" bewerten können. Im Jahr 2008 war eine Lehrerin in einem aufsehenerregenden Prozess mit ihrem Versuch gescheitert, zu untersagen, dass sie auf dem Portal von Schülern bewertet wurde.

INFORMATIONSFREIHEITSGESETZ
Seit 14 Jahren hat Berlin ein Informationsfreiheitsgesetz, das dem Bürger weitgehende Rechte einräumt. Jeder kann es in Anspruch nehmen – und dabei in jede Akte der Verwaltung schauen, auch interne Informationen verlangen –, ohne dass dieses Ansinnen besonders begründet werden muss. Einfache Neugier reicht. So soll die Verwaltung leichter durch die Bürgerinnen und Bürger zu kontrollieren sein und transparenter werden. Nicht alle Behörden sind jedoch willig, ihre Akteninhalte herauszugeben. Wer als Bürger Probleme bekommt, kann sich an den Datenschutzbeauftragten wenden und diesen um Hilfe bitten. Darüber hinaus sind Einsichtsrechte in vielen Spezialgesetzen geregelt. Völlig grenzenlos ist das Einsichtsrecht nicht – schutzwürdige Belange Dritter, fremde Daten und auch Betriebsgeheimnisse müssen nicht offengelegt werden.

SPICKMICH.DE
Das Onlineportal Spickmich.de versteht sich als Netzwerk für Schüler, die ihre Schule und ihre Lehrer bewerten wollen. Damit die Noten der Lehrer auf dem Portal erscheinen, müssen nach Angaben des Portals „mindestens zehn Schüler einer Schule den gleichen Lehrer benotet haben“. Außerdem gehört zu der kommerziellen Spickmich GmbH das Portal Schulradar.de, das Eltern Hinweise zur Schulwahl geben soll. Allerdings sind die Angaben sehr lückenhaft und zum Teil veraltet. So gibt es dort Schulen, die unter einem Namen erscheinen, der bereits vor mehreren Jahren abgelegt wurde.

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