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Andreas Hofschneider

© Tsp

Klarinettist Andreas Hofschneider: Der Benny Goodman von Berlin

Herzschlagmusik: Andreas Hofschneider liebt Swing und spielt auf der Klarinette seines Idols Benny Goodman. Hören Sie hier in einer Audio-Kostprobe Hofschneider und seine Band.

Eine Liebesbeziehung zu einem braunen Lederkoffer und dessen Inhalt? Klar, für Andreas Hofschneider ist das eine fast alltägliche Freude. Er holt den Koffer aus einer Schublade und legt ihn so behutsam auf den Tisch, als könnte die kleinste Erschütterung schaden. Er klappt den Deckel auf, dann streicht er mit den Fingerspitzen über die fünf Teile seines Instrumentes aus afrikanischem Ebenholz. Die Mittelstücke überzieht ein kompliziert aussehendes System versilberter Klappen, Hebel und Tonlöcher. Alles ist auf roten Samt gebettet. „Diese Klarinette ist ein Meisterstück“, sagt der zierlich wirkende Musiker. Seine Augen hinter den kreisrunden Brillengläsern strahlen. „Sie gehörte mal Benny Goodman. Er spielte sie in den späten 40er Jahren.“

Andreas Hofschneider hat die Klarinette erworben und restaurieren lassen. Sorgsam setzt er ihre Abschnitte mit den korkgepolsterten Steckverbindungen zusammen, bis er das Instrument in Händen hält, mit dem er zurzeit eine steile Karriere macht: Sein Andreas-Hofschneider-Quartett gehört in Berlin, aber auch bundesweit, zu den besten und gefragtesten Swing-Dancebands.

Die vier haben sich ganz und gar in den musikalischen Stil des „King of Swing“ verliebt, sie spielen Benny Goodmans legendäre Titel aus den 30er Jahren sowie neue eigene Stücke, arrangiert im Goodman-Sound. Zum Beispiel jeden Dienstagabend bei ihren Sessions im „Hotel Albrechtshof“ in Mitte. Oder beim „Swing Craze“, dem alljährlich von Hofschneider organisierten Ball im traditionsreichen Zehlendorfer Primus-Tanzsaal. Dann legen sie los wie einst Goodman im Quartett mit Teddy Wilson, Gene Krupa und Lionel Hampton. Spielen „Flying Home“, „Let’s Dance“ oder „Avalon“. Am Bühnenrand Frontmann Andreas mit der Klarinette. Im Rücken Michael Wirth am Drumset aus den 30ern, Vibraphonist Roland Neffe und am Piano Andrej Hermlin, der Promi des Quintetts. Auch Bandleader des Berliner Swing Dance Orchestra. Und manchmal sind noch zwei Gastmusiker dabei: Sängerin Bettina Labeau, Kontrabassist Michael Waterstradt.

Andreas Hofschneider live – mal leise wie ein gehauchtes Wort, mal so laut wie eine Schiffssirene. Leicht wie ein Artist eilt und springt er von Ton zu Ton. Die Klarinette trillert, federt, bebt, macht Laune. Mal schlittert der Mann mit dem schneeweißen Jacket und der Fliege über die Noten, mal hämmert sein Stakkato. Hoch im Sopran oder mit dunklem, rauen Timbre, so dass man an der Bar jetzt unbedingt einen ordentlichen Cognac braucht. Mal ist er im Dialog mit den anderen Instrumenten, mal lässt er die Klarinette erzählen. „Sie kann ja so viel“, sagt er. „Sie ist unglaublich ausdrucksstark.“

Andrej Hermlin gehört seit 2010 zu Hofschneiders Quartett. Der Dance-Orchestra-Chef ist ein Virtuose des swingenden Stride-Klavierstils, bei dem die linke Hand außergewöhnlich große Intervalle überbrückt und die rechte Hand viel improvisiert. Hofschneiders Leidenschaft für den Swing der 30er motiviere ihn, sagt Hermlin. „Das reißt mich mit.“ Jahrelang hat Andreas Hofschneider die historischen Aufnahmen von Benny Goodman Ton für Ton abgehört und auf Notenblätter für vier bis fünf Instrumente übertragen, damit man sie wieder professionell spielen kann. „Bennys Stücke wurden fast nie aufgeschrieben, schon gar nicht seine Solis und Improvisationen“, sagt er.

In seinem Arbeitszimmer in einer Altbauwohnung der West-City blickt das Vorbild in Postergröße von der Wand. Die Klarinette hält Goodman zufrieden lächelnd wie einen Zauberstab schräg vor der Brust. „Der hat mich wahnsinnig inspiriert“, sagt sein Verehrer. „Wir sind beide im Sternzeichen des Zwillings geboren.“ Dann holt er einen dicken Band aus dem Regal, gefüllt mit hunderten handschriftlicher Transkriptionen. Die Partituren der Goodman-Stücke. Das Notenbuch hat Hofschneider selbst eingebunden. Er arbeitete in jungen Jahren als Buchbinder, später als Papierrestaurator an der Universität Bremen. Doch der Swing zog ihn seit 2003 immer stärker nach Berlin.

Hofschneiders Liaison mit der Klarinette begann mit 16. Zuvor hatte er im Elternhaus in Detmold Flöte, später Gitarre gespielt. Mit 19 hörte er in seiner Bude „Honey Pie“ und andere an Ragtime und Swing orientierte Beatles-Songs – entdeckte die Musik der 30er Jahre und Benny Goodman. „Der kann’s“, dachte er. „Das ist wie der Schlag deines Herzens.“ 2007 blieb er endgültig in Berlin. Am 1. September 2009 lud er zur Birthday-Party und gründete sein Quartett. Es war Benny Goodmans 100. Geburtstag.

„Sweet Sue – für Sylvie“, diesen Song hat Hofschneider seiner Liebsten gewidmet. Beide lernten sich bei einer Session kennen. Sie stand ganz vorne, hatte nur Augen für den Klarinettenmann. Dann brachte sie ihm das Swingtanzen bei.

Sessions jeden Dienstag, 20 Uhr, Hotel Albrechtshof, Albrechtstraße 8. Ebenfalls dort: „Kulinarischer Swingabend“, 15. März, 20 Uhr, Reservierung unter: 308860, Infos: www.andreas-hofschneider.de

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