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Berlin: Klauen für Claudia

Aus wahnhafter Liebe zu dem Top-Model griff Julio zur Spielzeugpistole und raubte 124 Ringe

Dumpf tönte es unter der Horror-Maske hervor: „Überfall, Hochzeitsringe, schnell, schnell!“ Der Räuber drohte mit einer Pistole und deutete zum Schaufenster. In der Auslage des Juweliergeschäfts im Europa- Center funkelten sie, die Ringe, die er seiner Traumfrau zu Füßen legen wollte. „Ich habe nur an Claudia Schiffer gedacht“, gestand Julio S. gestern. Auf der harten Anklagebank träumte er weiter. „Ich denke immer, dass sie irgendwann zu mir kommt.“

Julio S. ist 32 Jahre alt. Das zumindest verbindet ihn mit Claudia Schiffer, in die er sich vor vier Jahren verliebt hat. Da sah er sie auf einem Foto: Traumfigur, sinnlicher Mund, üppige blonde Haare. Am 27. September letzten Jahres hörte er die Hochzeitsglocken für sich und Claudia läuten. Obwohl die sich längst für den Filmproduzenten Matthew Vaughn entschieden hatte und vier Monate zuvor auch Mrs. Vaughn geworden war. Mittlerweile ist sie hochschwanger.

In seinen Gedanken führte Julio S. das Top-Model zum Traualtar – ganz in Weiß und mit einem wunderschönen Ring. „Ich brauchte so viele Ringe, weil sie sich einen aussuchen sollte“, sagte der aus Mosambik stammende Maschinist vor dem Berliner Landgericht. „Außerdem wusste ich ihre Größe nicht.“

„Ist die Sehnsucht nach Claudia Schiffer immer noch so groß?“ fragte die Richterin. „Nicht mehr so doll wie früher“, sagte Julio S. Damals, als er sich für 15 Euro eine Horror-Maske aus dem Film „Scream“ und für acht Euro eine Spielzeugpistole kaufte, habe er ihre Stimme gehört. Eigentlich sei er losgegangen, um in Kreuzberg Hochzeitskleider zu stehlen. An drei bis vier Brautkleider hatte er gedacht. Weil er eben die Größe nicht wusste. „Aber in dem Geschäft waren zu viele Leute, deshalb bin ich zum Europa-Center gefahren.“

Er hätte wohl gern für die 124 Ringe bezahlt. Aber Julio S. muss von 400 Euro im Monat leben. Er ist Frührentner. Wegen einer paranoiden Schizophrenie, die vor vier Jahren festgestellt worden war. Da hatte ihn das Glück verlassen: Er verlor seinen Job auf dem Bau, trank immer mehr, wurde von seiner Freundin verlassen. Claudia Schiffer wurde zu seinem Wahn. Einmal lief er sogar nackt über Gleise, um seine Traumfrau zu suchen.

Über die Ringe im Wert von insgesamt 57 000 Euro, die ihn vor Gericht brachten, konnte sich Julio S. nicht freuen. Trotz ihrer Todesangst behielten der Ladeninhaber und seine Mitarbeiterin die Nerven. Sie konnten Passanten Zeichen geben. Die Fußgänger alarmierten die Polizei. Eine Ärztin sagte, der Wahn mache den Beschuldigten noch immer unberechenbar. Davon waren schließlich auch die Richter überzeugt, die seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus anordneten. Julio S. sei aufgrund seiner Erkrankung schuldunfähig, aber für die Allgemeinheit gefährlich, hieß es im Urteil. Es seien weitere Straftaten zu befürchten – aus Liebe zu Claudia Schiffer.

Kerstin Gehrke

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