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Kulturstaatssekretär André Schmitz und der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit.

© dpa

Klaus Wowereit: Der nichtreagierende Regierende

Der Regierende Bürgermeister in Berlin hat bis zuletzt an seinem Kulturstaatssekretär André Schmitz festgehalten – und geschwiegen. Wird der Fall Schmitz jetzt zum Fall Klaus Wowereit?

Von
  • Antje Sirleschtov
  • Ulrich Zawatka-Gerlach
  • Matthias Meisner

Kulturstaatssekretär André Schmitz hat Steuern hinterzogen – und der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit hat es gewusst. Aber er hat an seinem Staatssekretär festgehalten. Und niemandem etwas davon erzählt. Anderthalb Jahre später wurde die Sache öffentlich und Schmitz trat zurück. Klaus Wowereit muss sich jetzt viele kritische Fragen gefallen lassen.

Wie hat André Schmitz am Dienstag seinen Rücktritt erklärt?

Der Kulturstaatssekretär hat beantragt, von seinen Aufgaben entbunden zu werden. Zurzeit prüft die Senatskanzlei noch, welche Folgen dies für das – ihm gesetzlich zustehende – Übergangsgeld für Beamte und für spätere Versorgungsansprüche hat. Offen ist auch noch, ob der Senat der von Schmitz erbetenen Entlassung zustimmen muss oder ob es reicht, dass Klaus Wowereit das Gesuch annimmt. Was er am Dienstag bereits getan hat.

Wie ist die Causa Schmitz am Montag im SPD-Vorstand behandelt worden?

Für die SPD ist die Affäre Schmitz gleich dreifach peinlich. Nicht nur, weil einer ihrer Verantwortungsträger es mit der Steuerehrlichkeit nicht so genau nimmt, wie es die Sozialdemokraten in der Öffentlichkeit jedem gern anraten. Sondern auch, weil nun herausgekommen ist, dass Klaus Wowereit im Wahljahr 2013 kein Problem darin gesehen hatte, auf Wahlkampfveranstaltungen gemeinsam mit der SPD-Führung über Steuerehrlichkeit zu sprechen und Steuerbetrüger zu verurteilen, während er zur gleichen Zeit einen Steuer-Unehrlichen in seiner unmittelbaren Umgebung beschäftigte. Als die Führungsgenossen um SPD-Chef Sigmar Gabriel am Montag in Potsdam zur Fortsetzung ihrer Klausurtagung zusammen kamen, da hatten sie über Stunden hinweg den Eindruck, den Berliner Genossen sei nicht klar, dass Schmitz zurücktreten muss. Weshalb SPD-Chef Gabriel am Nachmittag dann in der Öffentlichkeit deutlich wurde.

Nun wollen die SPD-Koalitionäre das Thema Strafverfolgung bei Steuersündern voranbringen. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sagte am Dienstag : „Wir wollen zudem die strafbefreiende Selbstanzeige überprüfen und gegebenenfalls abschaffen.“ Für die Juso-Chefin Johanna Uekermann hat sich das Instrument nach den jüngsten Veröffentlichungen endgültig überlebt: „Die strafbefreiende Selbstanzeige muss beendet werden", sagt sie und hat dabei die Unterstützung vieler Sozialdemokraten. In der Union ist man da zurückhaltender.

Wie stark ist Wowereit durch die Affäre seines Staatssekretärs beschädigt?

In den Beliebtheitswerten, die von den Meinungsforschern regelmäßig erhoben werden, kann Berlins Regierungschef kaum noch weiter sinken. Seit Monaten steht er im Keller, hinter ihm auf der Liste sind nur noch zwei Vertreter der Berliner Piratenfraktion zu finden. Weil Steuerbetrug durch vermögende Menschen in der Bevölkerung regelmäßig Empörung auslöst, muss man aber davon ausgehen, dass Wowereits Ansehen, das unter dem Flughafen-Desaster schon erheblich gelitten hat, zusätzlich beschädigt ist. Die nächsten Umfragen werden es zeigen.

Wird der Regierende vorzeitig aus dem Winterurlaub zurückkommen?

Nein, er bleibt dort. Allerdings hört man von Insidern, dass ihm der Ferienspaß seit Montag gehörig vergangen ist. Am nächsten Montag will er in den Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses kommen, das wird für ihn sicher eine schwierige Sitzung. Diese Woche macht auch das Berliner Landesparlament eine Winterpause.

Ist die Debatte in der Berliner SPD mit dem Rücktritt von Schmitz beendet?

Ganz sicher nicht. Ebenfalls am nächsten Montag wird der Landesvorstand der Berliner Sozialdemokraten über die Situation beraten. Auch in anderen SPD-Landesverbänden wird sehr kritisch über das Fehlverhalten von Schmitz und die Rolle diskutiert, die Wowereit in der Steueraffäre einnimmt. Die Genossen in Berlin sind aber froh, den Rückzug des Kulturstaatssekretärs schon am Montag erzwungen zu haben. Offenbar gegen den heftigen Widerstand Wowereits, der sich mächtig aufgeregt haben soll. Die Führung der Landes-SPD und die Fraktionsspitze beschränkten sich am Dienstag offiziell auf lobende Worte für den Schritt von Schmitz und dessen Verdienste für die Berliner Kulturpolitik.

Die Parteibasis reagierte jedoch großenteils verärgert. Offene Kritik äußerte der Neuköllner SPD-Bundestagsabgeordnete Fritz Felgentreu. Er sagte: „Wowereit hat 2012 die Spitzen der Partei nicht eingebunden, sondern hat allein entschieden. Weil er sich mit niemandem ausgetauscht hat, hat er auch die politische Verantwortung allein übernommen. Das war mit einem hohen Risiko verbunden.“

Das sieht die Chefin der Berliner SPD-Landesgruppe im Bundestag, Mechthild Rawert, ausdrücklich anders. Sie sagte dem Tagesspiegel: "Es ist kein Fall Wowereit." Wenn Felgentreu von einem "hohen Risiko" für Wowereit spreche, sei dies dessen Meinung: "Die habe ich nicht zu kommentieren." Rawert fügte hinzu, es tue ihr "unendlich" leid, dass Schmitz seinen Posten habe verlassen müssen, allerdings habe der Kulturstaatssekretär damit "die notwendige politische Konsequenz aus einem schweren Fehler gezogen". Sie fügte hinzu: "Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt.". Zur Kritik von Grünen, Piraten und Linken am Vorgehen Wowereits im Fall Schmitz sagte die SPD-Bundestagsabgeordnete: "Das ist ein normales Spiel zwischen Regierung und Opposition."

Welche Schlüsse zieht der Koalitionspartner CDU aus der Affäre?

Den Christdemokraten in Berlin kommt die Selbstbeschäftigung der SPD mit ihrem Führungsmann sehr gelegen. Der eigenmächtige Regierungsstil Wowereits stößt beim Koalitionspartner nicht erst seit Montag auf Kritik. Angeblich wusste Wowereit schon seit vergangenem Mittwoch, dass der „Fall Schmitz“ veröffentlicht werden würde, fuhr aber trotzdem in Urlaub, ohne führende Vertreter der Koalitionsparteien vorzuwarnen. Die Union wird aber vorerst die Füße stillhalten, ist zu hören. Das Geschäft der öffentlichen Aufarbeitung der Affäre überlässt die CDU erst einmal der Opposition. Seit Monaten bemüht sich die Berliner CDU systematisch und durchaus erfolgreich darum, ihr Gewicht im Regierungsbündnis zu verstärken und eigens Profil zu entwickeln. Das könnte sich schon bei den EU-Wahlen am 25. Mai auszahlen.

Wer verwaltet Schmitz’ Arbeitsfeld bis zur Ernennung eines Nachfolgers?

Der Chef der Senatskanzlei, Björn Böhning (SPD), der zum engen Beraterkreis um den Regierenden Bürgermeister gehört, wird sich kommissarisch um die Kulturpolitik in Berlin kümmern. Medien- und Filmpolitik gehören jetzt schon zu seinem Aufgabengebiet. Für eine Übergangszeit muss sich Böhning nun auch für Opern und Theater, Orchester und Museen interessieren.

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