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Das Profil schärfen: Harald Wolf (links) und seine Linke wollen weiter mit Klaus Wowereits SPD regieren, aber mit klareren eigenen Konturen.

© dapd

Update

Klausurtagung der Berliner Linkspartei: Linke wollen schärfer werden

Bei der Klausurtagung im Harz nehmen sich die Berliner Linken den Koalitionspartner vor: Fraktionschef Udo Wolf beklagt, die SPD blockiere die Fortsetzung des öffentlich geförderten Beschäftigungssektors. Weiter mit der SPD regieren will man hier aber trotzdem.

Das hören die Genossen gerne. Wenn es früher darum ging, was man denn so in der Bundespartei und in anderen Linken-Landesverbänden von der Berliner Regierungsbeteiligung der Linkspartei denkt, wurde oft Kritik an den Parteifreunden in der Hauptstadt laut, Tenor: Zu viele Zugeständnisse an die SPD, zu viel Realpolitik, zu wenige Prinzipien. Heute hingegen, so wusste es der Bundestagsabgeordnete Stefan Liebich am Wochenende auf der Klausurtagung der Berliner Linksfraktion in Wernigerode zu berichten, „sagt keiner mehr, dass wir zu regieren aufhören sollen“. Liebich handelte 2001/2002 den ersten Koalitionsvertrag mit der SPD mit aus und führte bis 2006 die linke Abgeordnetenhausfraktion. Heute werden Berliner Projekte wie die Gemeinschaftsschule, der öffentlich geförderte Beschäftigungssektor (ÖBS) oder der Einsatz gegen die Privatisierung von öffentlichen Unternehmen auch innerhalb der prinzipiell regierungskritischen Bundeslinken als Erfolge anerkannt. Wenn man mal Kritik höre, so Liebich, dann allenfalls die Aufforderung an den designierten Berliner Spitzenkandidaten, der als Fachpolitiker geschätzt wird, aber kein Charismatiker ist: „Harald Wolf soll im Wahlkampf lustiger werden.“

Selbstbewusst, stellenweise kämpferisch und mit dem bisher Erreichten zufrieden: So präsentierte sich die 22-köpfige Fraktion der Linken, die zusammen mit linken Bezirkspolitikern, Senatoren und Mitgliedern des Landesvorstands drei Tage lang in Sachsen-Anhalt über ihre künftige Politik diskutierte. Dabei wurde deutlich, dass man sich bis zur Abgeordnetenhauswahl am 18. September noch deutlicher vom Koalitionspartner SPD abgrenzen will, um hervorzuheben, welchen Anteil die Linken an den politischen Vorhaben der Koalition haben.

Seitenhiebe gab es vor allem gegen Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer. Der Sozialdemokratin werfen die Linken vor, den zunehmenden Mangel an bezahlbaren Wohnungen kleinzureden. Dem will die Partei wie berichtet mit einer neuen sozialen Wohnungspolitik begegnen, in deren Rahmen der Bau neuer Wohnungen staatlich unterstützt wird.

Auch Klaus Wowereit bekam sein Fett weg. So erinnerte der Linken-Landesvorsitzende Klaus Lederer süffisant daran, dass der heutige Regierende Bürgermeister einst für die inzwischen so umstrittene Teilprivatisierung der Wasserbetriebe stimmte – und heute ernsthaft mit der Linken über deren Ziel rede, wieder mehr öffentliche Kontrolle über das Unternehmen zu gewinnen. Lederers jüngster Vorschlag zum Thema ist eine Wassergenossenschaft: Berliner sollen Anteile an den Wasserbetrieben erwerben können, um den öffentlichen Einfluss auf das Unternehmen zu vergrößern.

Besonders scharf nahm sich Fraktionschef Udo Wolf den Koalitionspartner vor: Die SPD blockiere derzeit die Fortsetzung des öffentlich geförderten Beschäftigungssektors (ÖBS), indem sie sich weigere, die dafür nötigen Landesgelder freizugeben, die zusammen mit Geldern des Bundes die bislang gut 7000 ÖBS-Arbeitsplätze finanzieren. „Das ist ein sehr ernster Konflikt“, sagte Wolf. „Die SPD zockt mit uns.“ Der einstmals vor allem auf Drängen der Linken eingeführte ÖBS sei ein „riesengroßes Erfolgsprojekt“ – nun befürchten die Genossen, dass der Koalitionspartner das Herzstück ihrer Arbeitsmarktpolitik auch aus wahltaktischem Kalkül heraus ausbremsen könnte.

In den kommenden Tagen sollen Spitzengespräche zwischen SPD und Linken den Konflikt entschärfen helfen. Ob die aktuelle Auseinandersetzung das rot-rote Klima im Wahljahr wirklich ernsthaft beschädigen kann, ist unter den Linken umstritten. Manche befürchten schon, dass eine dritte gemeinsame Regierungszeit von SPD und Linken wegen der aktuellen Auseinandersetzungen zunehmend unwahrscheinlich wird. Andere hingegen sehen die Krise als Chance: Sollte die Blockade der SPD nur vorübergehend sein, könnte sich die Linke danach als Kämpferin für mehr öffentlich geförderte vollwertige Arbeitsplätze präsentieren, damit beim Wähler punkten und sich nach dem 18. September der SPD als gestärkter Koalitionspartner anbieten.

Denn auch das wurde ungeachtet aller koalitionsinterner Konflikte bei der Klausurtagung deutlich: Noch hat die Linke die Hoffnung nicht aufgegeben, dass sie bei den Verhandlungen über die Regierung für die nächsten fünf Jahre nach der Abgeordnetenhauswahl wieder mit der SPD am Senatstisch sitzen wird – trotz der großen öffentlichen Aufmerksamkeit für die Grünen und ihre Spitzenkandidatin Renate Künast. Zwar könnten die Grünen bei der Wahl um einige Prozentpunkte besser abschneiden als die Linke, das lassen zumindest die Umfragen vermuten. Als Koalitionspartner jedoch, so die einhellige Meinung auf der Fraktionsklausur, habe sich die Linke in den vergangenen zehn Jahren als so verlässlich erwiesen, dass Klaus Wowereit sie im Zweifel erneut den Grünen vorziehen würde. Entsprechende Signale wollen zumindest führende Linke vom Regierenden Bürgermeister und aus der SPD-Spitze bereits erhalten haben.

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