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Berlin: Kleider machen Beute

Zwei Messen, eine Botschaft: Berlin ist Modemetropole. Das ist eine Chance für den einheimischen Nachwuchs – und eine Neuheit für die internationalen Kreativen.

Von Susanna Nieder

Shop, Show, Sound, Stil, von jedem etwas, das macht den Mix von Berlin, und der macht’s, wenn es um Mode geht. Zwei Modemessen – oder Trendshows, wie sie korrekt heißen, weil sie nicht jeden Aussteller zulassen – wirbeln noch bis heute die Kreativen durcheinander: die „Bread and Butter“ im alten Siemens-Kabelwerk in Spandau und die „Premium“ am Potsdamer Platz. 20 000 Fachbesucher aus der ganzen Welt sind dazu angereist. Berlin ist Modemetropole geworden. Davon profitieren junge Berliner Designer und auch internationale Kreative, für die es in Deutschland eine neue Adresse gibt.

In Berlin werden jetzt Kollektionen gezeigt wie bis vor kurzem nur in Paris oder London. Zum Beispiel die von Marc Jacobs und Hussein Chalayan. Deren Entwürfe hätte man bis vor einem Jahr in Berlin nicht zu sehen bekommen. Der eine ist Chefdesigner bei Luis Vuitton und bringt in New York außerdem seine eigene Linie heraus, der andere war zweimal britischer Designer des Jahres. Beide stehen in der ersten Reihe des internationalen jüngeren Modedesigns. Sie kämen nicht auf die „Premium“, wenn Berlin nicht für einen neuen Trend stünde – und wenn nicht die richtigen Einkäufer da wären.

Überrascht und begeistert hat auch die Schau des jungen Russen Denis Simachev auf der „Premium“: Seine coole Herrenkollektion, vorgeführt von Models mit langen Rauschebärten, wirkte wie ein ironischer und trotzdem bodenständiger Bericht aus Russland. Seht her, so leben wir, so tragen wir heute noch die zaristische Uniformjacke, zusammengenietet und kombiniert zur eisblauen Trainingshose von den Olympischen Spielen 1980; unsere Klamotten sehen aus, als hätte die Babuschka ihr Kopftuch dafür hergegeben oder den Diwanüberwurf, als hätten wir drei Nächte darin geschlafen und schleppten gerade Gurken und Zwiebeln von der Datscha nach Hause. Simachev ist also ein Meister des richtigen Mixens – und damit in Berlin genau richtig.

Inzwischen wurde überall in die Welt getragen, dass es sich in Berlin gut kreativ sein lässt. Werber sind hier, Grafiker und viele Leute aus der Musikbranche, dazu kommen 180 Kleinunternehmen zwischen Couture, Mini-Label und Szene-Mode. Von denen waren auch viele auf den Trendshows vertreten. Das Spektrum reicht von „Firma“, die auf allen großen europäischen Messen ausstellen und froh sind, für diese hier nicht reisen zu müssen, bis zu „von Wedel und Tiedeken“, die gerade erst ihren Abschluss gemacht haben, von „Tosh“, die bunten Schmuck herstellen, bis zu „Trippen“, dem Schuhhersteller aus den Hackeschen Höfen.

Auch am Rande der Messen gab es Modeveranstaltungen, zum Beispiel die Beck’s Modenschau. Unter den sieben deutschen Nachwuchsdesignern fiel ganz besonders das Label „c.neeon“ von Doreen Schulz und Clara Kraetsch auf, die an der Kunsthochschule Weißensee studiert und im als avantgardistisch geltenden Antwerpen erste Arbeitserfahrungen gesammelt haben. Ihre klaren Farben und Muster, einfallsreichen Schnitte und interessanten Kombinationen zeigten einen ganz eigenen Gestaltungswillen.

In diesen Tagen sieht man in Berlin deutlich mehr modisch gekleidete Menschen als noch vor ein paar Jahren. Die meisten sind jung. Doch auch manch’ alter Zausel, der noch immer in Birkenstocksandalen herumläuft, zieht inzwischen bewundernde Blicke auf sich. Denn die Mode hat die Latschen eingeholt: Birkenstock stellt heute auf der „Bread and Butter“ aus – und zwar im „High Fashion“-Segment.

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