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Berlin: Kleiner Auftritt, großer Effekt

Von Schöneberg nach Tibet: Wie die Berliner Schauspielerin und Regisseurin Neelesha Bavora in dem indischen Spielfilm „Samsara“ landete

Von Lars von Törne

Neelesha Bavora kennt ihre Wirkung: „Ich habe eine Tasse in der Hand gehalten, einmal tief in die Kamera geblickt – dann hatte ich die Rolle.“ Um den Effekt zu demonstrieren, wirft die junge Frau einen ähnlich tiefen Blick aus ihren großen braunen Augen quer über den Tisch des Kreuzberger Cafés. Das genügt, um zu verstehen, wieso der indische Regisseur Pan Nalin die 25-jährige Berlinerin für die Rolle einer geheimnisvollen Verführerin in seinem Tibet-Film „Samsara“ engagierte. Heute kommt die spirituell angehauchte Liebesgeschichte ins Kino.

Für Neelesha Bavora ist der Film, der vor zwei Jahren im indischen Ladakh gedreht wurde, auch eine Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Geschichte. Ihre Mutter, die vor 15 Jahren gestorben ist, war Inderin. Von ihr hat sie ihren n, der auf Indisch „Die blaue Nacht heißt“. Ihr Vater ist Deutscher. Neelesha wurde in Potsdam geboren. Als sie vier Jahre alt war, gingen die Eltern nach Indien, kurze Zeit später nach West-Berlin. Neelesha wuchs in Schöneberg auf, ging in Wilmersdorf zur Schule, trieb sich als Teenager in der Multikulti-Hip-Hop-Szene in Kreuzberg herum. Über ihren Vater und über Freunde gelangte sie in die Filmszene, spielte als Jugendliche eine Hauptrolle in der TV-Serie „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“. Obwohl sie sich durch und durch als Berlinerin fühlt, blieb die Beziehung zu Indien eng. Bis heute besucht Neelesha regelmäßig ihren Großvater und die Familie in der Region Gujerat. Sie spricht ihre Muttersprache Gujerati, außerdem ein paar Brocken der indischen Hauptsprache Hindi.

„Als ich vor drei Jahren hörte, dass jemand ein Indien-Tibet-Filmprojekt plant, habe ich mir meinen Sari angezogen, mich von einer Freundin filmen lassen und die Kassette dem Regisseur geschickt“, erzählt Neelesha. Ein Jahr später kam die Einladung zum Vorspielen, schon ein paar Wochen darauf saß sie mit einem international zusammengewürfelten Filmteam im Himalaya und drehte.

Die Figur der Wanderarbeiterin Sujata, der die Hauptfigur des Films sexuell verfällt und darüber die Beziehung zu seiner Ehefrau aufgibt, gefiel Neeleseha sofort. „Was der Film über die Routine in Beziehungen aussagt, über die Versuchung, untreu zu werden – das kenne ich auch aus meinen eigenen Beziehungen.“ Dass sie in der Schlüsselszene nackt spielt, machte ihr nichts aus. „Ich mag den kunstvollen Umgang mit der Erotik“, sagt sie und schaut versonnen auf die Oranienstraße vor dem Café. Außerdem gefiel es ihr, dass ihre Figur eigentlich nur eine Nebenrolle ist, für die Handlung aber weitreichende Bedeutung hat. „Ein kleiner Auftritt mit großer Wirkung – so etwas mag ich“, sagt sie. Und lacht dabei so doppeldeutig, dass man nicht weiß, wie viel Selbstironie und wie viel Koketterie in dem Satz steckt.

Dass sie zum Film will, wusste Neelesha Bavora schon seit ihrer Jugend. Neben gelegentlichen, kleineren Schauspielrollen eignete sie sich schon als Teenager an, wie man filmt und Regie führt. Sie ist eine Macherin. Kurz nach ihrem Abitur dreht Neelesha ihren ersten Dokumentarfilm: „Hangin’ Out“. Darin erzählt sie von der Szene-Bar „Kurvenstar“, dem Künstlertreff, in dessen Keller sie das Filmschneiden lernte. Es folgten weitere Dokumentarfilme auf eigene Kosten, Werbespots und ein Musikvideo. Daneben arbeitet sie bis heute immer wieder als Schauspielerin, Regisseurin, Kamerafrau, Cutterin.

In den Filmen, die sie selbst dreht, will Neelesha Geschichten erzählen, die mit ihrem Leben zu tun haben. Ihre Erfahrungen in der Hip-Hop-Szene Berlins verarbeitete sie vor einem Jahr in einem Dokumentarfilm über die entsprechende Szene in Los Angeles. Im Mai bekam sie dafür beim Filmfestival „Sehsüchte“ in Potsdam den Deutschen Nachwuchsfilmpreis. In ihrem jüngsten Regieprojekt „Fifty Fifty“ erzählt sie die Geschichte zweier Mütter, die in Kreuzberg in chaotischen Verhältnissen ihre Kinder großziehen: Die beiden sind gute Freundinnen von ihr. Dieser Film läuft als „Kleines Fernsehspiel“ im Dezember im Kino. Als Schauspielerin ist sie außerdem bald in der ORB-Produktion „Alltag“ zu sehen, einer Kreuzberger Liebesgeschichte. Im Herbst will die umtriebige Frau ihre Filmleidenschaft noch weiter ausbauen: Dann beginnt sie an der Potsdamer Filmhochschule HFF ihr Regiestudium.

Das Thema Indien beschäftigt sie weiterhin. Bei den Dreharbeiten zu „Samsara“ beschloss sie, mal für längere Zeit in das Land ihrer Mutter zu reisen. „Im Team waren ein paar junge Inderinnen aus Bombay, die haben mir gezeigt, dass es dort junge, moderne Frauen gibt, die genau so westlich sind wie ich.“ Das war neu für Neelesha: Die traditionelle indische Lebensweise, die sie zuvor bei Familienbesuchen kennen gelernt hatte, war ihr als antiautoriär erzogener Berliner Göre eher fremd geblieben. Jetzt will sie mit ihrer Digitalkamera durch Bombay und Delhi ziehen, Jugendliche interviewen und ihre beiden Hobbys verbinden: Reisen und Filmen.

„Samsara“ läuft ab heute in den Kinos Balazs, Blow Up, Cinestar (OmU), Kant, Moviemento und Village/Kulturbrauerei.

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