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Kampf ums Idyll. An der Beermannstraße hinter dem Treptower-Park-Center müssten für die neue Autobahn vier Wohnhäuser und Dutzende Kleingärten weichen. Fotos: Uwe Steinert

© uwe steinert

Kleingärten: A-100-Betroffene hofften weiter auf Scheitern der Pläne - vor fünf Jahren

Vor fünf Jahren sollten ihre Häuser und Kleingärten für die Verlängerung der A 100 weichen: Anwohner der Beermannstraße in Treptow lebten zwischen Resignation, Ärger und der Hoffnung. Was Stefan Jacobs darüber schrieb.

Sonntagmorgen in der Beermannstraße am Treptower Park: Hinter der Hecke rattert die Ringbahn, in den Kirschbäumen beginnen die Stare mit der Ernte, und am Eingangstor zur Kleingartenanlage schraubt Herbert Gutwirt gerade ein neues Schloss ein. Lohnt sich das überhaupt noch, nachdem die SPD für den Weiterbau der Stadtautobahn gestimmt hat, die genau hier entlangführen würde? „Wird nich’ jebaut!“, sagt Gutwirt ohne aufzublicken. „Die Linken haben es ja abgelehnt. Und die stimmen nicht so lange ab, bis das Ergebnis passt.“ Gutwirt wohnt in der Nummer 16, sodass er im Ernstfall sowohl die Wohnung als auch den Garten los wäre, denn neben gut 200 Kleingärten müssten auch vier große Mietshäuser abgerissen werden. Für weitere Auskünfte empfiehlt Gutwirt seine Frau, denn die sei schon im Mittagsmagazin und in der Abendschau gewesen.

Erika Gutwirt steht auf einem unverschämt grünen Rasen zwischen Planschbecken und Gartenlaube. Sie hat gerade ihr 60-jähriges Jubiläum in Treptow gefeiert: Am 10. Mai 1945 sei sie von Kreuzberg hierher gebracht worden, vier Jahre alt und ausgebombt. Sie hoffe stark, dass die Betonpiste am Geld scheitern werde, sagt sie, zögert, und fügt hinzu: „Können die das Geld nicht lieber in die Schulen stecken? Oder wenigstens woanders eine Autobahn bauen, wo nicht so viel vernichtet wird?“ Bei einer Demo habe sie mal einen Zivilpolizisten durch die Gärten und die grünen Innenhöfe geführt, der sich als Autobahnfreund zu erkennen gegeben hatte. „Der hat seine Meinung geändert.“ Erika Gutwirt würde auch den Regierenden Bürgermeister und die Stadtentwicklungssenatorin gern auf dieselbe Weise überzeugen. Zumal ihr Garten von der Bahn-Landwirtschaft noch nicht gekündigt ist – im Gegensatz zu jenen, die auf landeseigenem Boden stehen: Die werden in jedem Fall geräumt, heißt es aus der Verkehrsverwaltung.

Entsprechend resigniert reden auch andere hier: Teurer Schwachsinn sei die Autobahn, sagt ein Rollstuhlfahrer, „schauen Sie sich doch an, was für Stau jetzt schon auf der Elsenbrücke ist“. Ein junges Paar sagt, man wisse seit Einzug, das man notfalls wegmüsse. Ein Mann mit Baby auf dem Arm spricht von „Prestige-Argumenten für die Leute da oben“ und sagt, dass er sich übergangen fühle, aber es klingt nicht so leidenschaftlich wie bei Erika Gutwirt.

Weiter südlich entlang der Strecke, zwischen der Kiefholzstraße und dem Hotel Estrel, liegt Sonntagsruhe über den Baustoff- und Gebrauchtwagenhandlungen und den sonstigen Gewerbeflächen. Die Gegend wirkt leicht verrumpelt, Protestplakate sind hier nicht zu sehen.

Auch an den Häusern in der Beermannstraße hingen schon mal mehr Transparente, aber Erika Gutwirt hat eine Erklärung: Das erste Haus sei schon an den Bund verkauft worden, „dann sollten die Transparente weg. Aber die sind nicht weg. Nur hochgeklappt.“ Stefan Jacobs

Der Beitrag erscheint in unserer Rubrik "Vor fünf Jahren".

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