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Grüne Idylle auf Zeit: Nach dem neuen Kleingarten-Entwicklungsplan sollen bis 2030 22,9 Hektar der Grünflächen bebaut werden.

© Patrick Pleul/dpa

Kleingarten-Entwicklungsplan: Ab 2020: Über 400 Parzellen müssen weichen

Im Entwicklungsplan ist eine Bebauung von 15 Kleingartenanlagen vorgesehen. Für den Wohnungsbau wird die Fläche aber nicht genutzt - zumindest bis 2030

Wie wichtig, wie toll, wie wertvoll Kleingärten doch sind. „Sie erfüllen vielseitige positive Funktionen für die Erholung, für den Biotop- und Artenschutz, für den Naturhaushalt und für das Landschaftsbild.“ Ja, so steht das im Kleingarten-Entwicklungsplan, den die Berliner Senats-Umweltverwaltung ausgearbeitet hat. In dem Plan steht dann allerdings auch, dass nun 429 Parzellen, sprich 13,8 Hektar dieser so wertvollen Fläche ab 2020 unter Beton verschwindet. Dann stehen zum Beispiel Turnhallen, Kitas oder Schulen, wo einst Bäume wuchsen und Blumen blühten. Aber auch für Verkehrsprojekte wird das Grün verschwinden.

Doch eigentlich ist das halb so schlimm, „bis 2030 wird lediglich ein Bruchteil der 71.000 Berliner Parzellen betroffen sein, nur rund ein bis zwei Prozent“, teilt die Verwaltung auch noch mit. Aber das Jahr 2030 kommt auch, und ab dann werden die Zahlen größer. Ab 2030 kommen weitere 9,1 Prozent des Gesamtbestands unter den Bagger, auch für Schulen, Kitas, Turnhallen, Verkehrsprojekte, Spielplätze. Bleiben aber 82,7 Prozent der gesamten Berliner Kleingartenfläche - und diese Gesamtfläche ist immerhin knapp 3.000 Hektar groß.

"Ziel war es, so viel wie möglich zu sichern"

„Diese 82,7 Prozent sind auf Dauer gesichert“, erklärt Umwelt- und Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos). Sie hat den Kleingarten-Entwicklungsplan am Donnerstag vorgestellt, am 11. März wird er ins Internet gestellt. Der Plan, das signalisiert die Senatorin, ist eigentlich eine Erfolgsmeldung. „Ziel war es, so viel wie möglich zu sichern. Ich glaube, das ist gut gelungen.“ Nur bei den 15 Kleingartenanlagen zum Beispiel, die ab 2020 weichen müssen, zehn davon allein in Tempelhof-Schöneberg, hat die Senatsverwaltung das nicht ganz geschafft.

Anfang der Woche ist schon eine Version des Kleingarten-Entwicklungsplans veröffentlich worden, vom RBB, danach beeilte sich die Verwaltung mit dem Hinweis, das sei ja alles nicht aktuell und werde noch überarbeitet. Überarbeitet wird er mit Sicherheit, dieser Plan, irgendwann in den nächsten Wochen und Monaten. Doch die Version, die Regine Günther am Donnerstag vorstellte, ist quasi identisch mit der Version, die der RBB öffentlich machte. Neue Flächen kamen nicht hinzu.

Für neue Wohnungen sind die Flächen nicht vorgesehen

Jetzt wird aber erstmal mit den Bezirksverbänden der Kleingärtner geredet, die dürfen Änderungen vorschlagen und Meinungen äußern. Allerdings hat erst rund die Hälfte der bezirklichen Kleingarten-Vertreter der Umwelt-Verwaltung ein Feedback gegeben. Das Abgeordnetenhaus wird dann im zweiten oder dritten Quartal über die Endfassung abstimmen. „Da ist noch nichts in Stein gemeißelt“, sagt Regine Günther, „da ist noch Bewegung drin.“ Allerdings wohl nicht nach unten. Es ist kaum damit zu rechnen, dass weniger Kleingartenflächen bebaut werden als jetzt aufgelistet. „Weniger Flächen geht ja fast nicht“ sagt die Senatorin.

Für Wohnungen, das sagt sie aber auch, sind die betroffenen Flächen im Kleingarten-Entwicklungsplan nicht vorgesehen. „Wir haben die Erwartung, dass wir mit diesen Plänen die Wohnungsbauziele trotzdem erreichen“, sprich: ohne, dass dafür Kleingärten umgewidmet werden müssen. Doch bis 2030 werden Kleingärten auf keinen Fall für den Wohnungsbau genützt, das ist eine politische Vereinbarung. Was nach 2030 passieren wird, ist noch offen. Im Stadtentwicklungsplan 2030 der zuständigen Senatorin Katrin Lompscher (Linke) sind Kleingartenanlagen als potenzielle Flächen für den Wohnungsbau explizit benannt. Diese Kolonien stehen allerdings nicht im Kleingarten-Entwicklungsplan.

Betroffene Kleingärtner werden mit kleinerer Ersatzfläche entschädigt

Betroffene Kleingärtner, die ihre Scholle verlieren, werden aber auf jeden Fall entschädigt, sowohl finanziell als auch mit einer Ersatzfläche. Nur wird diese Ersatzfläche kleiner ausfallen als die bisherige durchschnittliche Parzelle. Die liegt berlinweit bei 410 Quadratmeter, wobei bestimmte Grundstücke, je nach Standort, von dieser Größe erheblich abweichen. Die Ersatzflächen werden eine Durchschnittsgröße von nur noch 250 Quadratmeter haben. Die finanzielle Entschädigung liegt pro Parzelle, nach den Erfahrungswerten, bei rund 7.000 Euro. Die genaue Summe kann davon aber abweichen. In jedem einzelnen Fall wird der Wert einer Parzelle von Experten geschätzt.

Dass es Tempelhof-Schöneberg mit dem Verlust an Grün besonders trifft, hat einen einfachen Grund: Einige der dort benannten Kleingarten-Kolonien sind seit vielen Jahren als Bauland ausgewiesen, es war also eine Frage der Zeit, bis sie geräumt werden müssen. Wobei Norbert Gieseking, Vorstandsmitglied im Bezirkverband Tempelhof, bei diesen Nachrichten große Gelassenheit demonstriert. Er ist seit 40 Jahren in der Kleingarten-Branche. In aller Gemütsruhe sagt er: „Ich bin nicht alarmiert. Da muss ja erst mal ein Bebauungsplan aufgestellt werden, und dann gibt es dazu eine Bürgerbeteiligung.“

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