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Schlechte Stimmung. Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU, links) und der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD).

© dpa

Klima zwischen SPD und CDU im Senat: Mit den Sticheleien geht es erst los

Berlins SPD ätzt gegen Berlins CDU. Das hat durchaus Methode. Dabei erwarten die Wähler etwas ganz anderes. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Werner van Bebber

Uh, wie aufregend! Keine acht Monate mehr bis zur Wahl des Berliner Abgeordnetenhauses, und der SPD- Fraktionschef Raed Saleh stellt fest, „dass die Schnittmengen mit der CDU zurzeit aufgebraucht sind“. Will da einer (per Interview in der „Berliner Zeitung“) die Trennung von einem Partner, mit dem er es nicht mehr aushält? Den er für verantwortungsflüchtig hält (Stichworte Czaja, Lageso, Flüchtlinge), für zu oft abwesend (Stichworte Henkel, Sicherheit)? Eher nicht. Salehs Attacke dürfte eine erste Aufwärmübung für den Wahlkampf darstellen, ein Gruppen-Warm-up mit den Kollegen Abgeordneten, mit denen der Frontmann der Fraktion am Wochenende in Klausur geht.

Czaja und Henkel halten wacker die Wange hin

Kein Wunder, dass Salehs Gegenüber bei der CDU-Fraktion, Florian Graf, sich auf die Auseinandersetzung gar nicht erst einlässt. Dem CDU-Fraktionschef liegt die Scharfmacherei nicht. Eine Antwort auf Saleh erübrigte sich am Freitag ohnehin – schließlich hatte der in besagtem Interview auch gleich darauf hingewiesen, dass man bis September „professionell unsere Arbeit machen“ werde. Also keine Maximal-Aufregung im Berliner Betrieb, kein „Jetzt reicht’s“ oder „Basta“ – das Publikum darf sich auf weitere Monate der Sticheleien der SPD gegen die Union einstellen. Dort halten die Senatoren, die Saleh und der Regierende Michael Müller vorzugsweise auf dem Kieker haben, Mario Czaja und Frank Henkel, wacker die andere Wange hin.

Zwei Taktiken werden erkennbar (von Strategien zu reden, wäre zu ambitioniert): Müller und Saleh fordern und provozieren; Müller gibt den allzuständigen Regierenden mit Richtlinienkompetenz, der Senatoren dann an den Ohren zieht, wenn er Anlass zur Unzufriedenheit mit deren Leistung zu haben meint.

Streiten kann man darüber, inwieweit Mario Czaja tatsächlich das Lageso-Desaster zu verantworten hat und inwieweit Frank Henkel Berlin als Innensenator von sämtlichen Plagen auf einmal befreien kann (Taschendiebe, Dealer in Parks und U-Bahnen, Einbrecher, durchgeknallte Clubgänger, die am Alex Stress machen, autonome Linke, die retromäßig in die Hochzeit der Hausbesetzerei zurückwollen).

Berlin wirkt nicht smart, sondern wie eine Großbaustelle

Derweil geben Henkel, Czaja, Justizsenator Thomas Heilmann und Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer die wackeren Arbeiter im mühseligen Berliner Alltag. Ihr Motto: Die Sozis reden – wir machen. Es gehört vermutlich zu den Folgeschäden einer in der Union als Strafhaft empfundenen Zeit in der Opposition, dass man mit den Stimmungen der Leute nicht spielt, sondern duldsam und verlässlich Tagesordnungen und Koalitionsvereinbarungen abarbeitet.

Vermutlich liegen sie in der Union nicht so falsch mit der Vermutung, dass die Leute von ihnen weniger Wahlkampfrhetorik erwarten als Problemlösungen. Auch wenn es der Stadt eher besser geht, wirkt Berlin nicht smart, sondern wie eine Großbaustelle, und man muss nicht beim „Spiegel“ in Hamburg arbeiten, um ohne die manchem Berliner eigene Begeisterung von sich selbst große Mengen politischen Handlungsbedarfs zu erkennen. Für den Wahlkampf ist dann immer noch Zeit genug.

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