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Protestaktion vor dem Kraftwerk Klingenberg.

© DPA

Klimaschutz in Berlin: Experten: Bis 2020 auf Braunkohle verzichten

Eine Expertenkommission des Abgeordnetenhauses legt einstimmig beschlossene Empfehlungen vor. Strittig bleibt aber die Rekommunalisierung der Netze.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der beste Klimaschutz für Berlin ist die Sanierung von Wohnhäusern und öffentlichen Gebäuden, der Einsatz von Fernwärme und der Umbau von Kohlekraftwerken. Bis 2020 soll Vattenfall auf Braunkohle und bis 2030 auf Steinkohle verzichten. Zu diesem Ergebnis kommt eine Expertenkommission des Abgeordnetenhauses, deren Abschlussbericht fast fertig ist. Einstimmig haben sich die fünf Fraktionen auf Empfehlungen geeinigt, die dem Tagesspiegel vorliegen.

Strittig ist aber noch die Frage, ob die Verteilnetze für Strom, Gas und Fernwärme vom Land Berlin übernommen und gemeinsam betrieben werden sollen. Offen ist auch, ob das öffentliche Stadtwerk finanziell besser ausgestattet wird und neue Aufgaben übernehmen darf. SPD und Grüne, Linke und Piraten wollen dies im Enquete-Bericht verankern, die CDU ist skeptisch, spricht von „technischen, wirtschaftlichen und finanziellen Risiken“ und will lediglich empfehlen, einen „integrierten Netzbetrieb“ in öffentlicher Hand weiter zu prüfen.

Am gestrigen Mittwoch wollte die Expertenkommission „open end“ über diese Streitfragen beraten. Möglicherweise wird die CDU ein Minderheitsvotum abgeben. Am 12. November soll der Schlussbericht im Abgeordnetenhaus vorgestellt werden. Hier die wichtigsten Empfehlungen, auf die sich die Kommission geeinigt hat:

Ökologisch, aber bezahlbar

Damit der Gebäudebestand in Berlin bis 2050 annähernd klimaneutral ist, müssten jedes Jahr fast 9000 Häuser oder 50.000 Wohnungen energetisch modernisiert werden. Im vergangenen Jahrzehnt wurden nicht einmal tausend Wohngebäude jährlich saniert. Das Problem sind nicht nur die 137.000 Mietshäuser, sondern auch die 179.000 Ein- und Zweifamilienhäuser. Mit Gas- statt Ölheizungen und dem Ausbau des Fernwärmenetzes wäre schon viel gewonnen, da ist sich die Enquetekommission „Neue Energie für Berlin“ einig. Außerdem müsse die Wärmedämmung forciert werden. Zudem fehle es an Information und Beratung der Eigentümer und Mieter, aber auch an einer flächendeckenden Kontrolle der Sanierungsmaßnahmen.

Um zu vermeiden, dass die Kaltmieten durch hohe Modernisierungsumlagen sozial unverträglich steigen, empfiehlt die Kommission, über die Programme der nationalen Förderbank KfW und des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) besser zu informieren, damit die Mittel auch abgerufen werden. Außerdem solle der Senat mit Hilfe der Investitionsbank Berlin (IBB) landeseigene Förderprogramme für Haushalte mit geringen Einkommen entwickeln. Notfalls müssten auch die Mietzuschüsse für Sozialhilfeempfänger erhöht werden. Einen solchen „Klimabonus“ gebe es schon in einigen Städten in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen.

Mit gutem Beispiel voran

Die Kommission kritisiert, dass es „keine belastbaren Daten über den energetischen Zustand und die Sanierungssituation“ der landeseigenen Immobilien gibt. Dies müsse zügig nachgeholt und die „Sanierungsquote im öffentlichen Gebäudebestand deutlich erhöht“ werden. Ein landeseigener Dienstleister solle dafür einen Fahrplan aufstellen und bei der Finanzierung helfen. Dafür müsse das Unternehmen mit Eigenkapital und Bürgschaften ausgestattet werden, um Kredite aufnehmen zu können. Berlin müsse bei der energetischen Modernisierung eine Vorbildfunktion erfüllen. Aber nicht nur für den Bestand, sondern auch für neue Schulen oder Neubauten der städtischen Wohnungsunternehmen, die den Standard eines Passivhauses, das ohne herkömmliche Heizung auskommt, erfüllen sollten.

Den Vorreiter soll das Land auch beim Energiemanagement aller landeseigenen Gebäude spielen. 20 Prozent Stromeinsparungen seien möglich. Der öffentliche Fuhrpark solle auf Elektroautos, die Beleuchtung auf LED-Lampen umgestellt werden. Empfohlen wird auch eine Werbekampagne des Senats, mit dem Slogan: „Berlin spart sich ein Kraftwerk“.

Wärme aus der Leitung

„Die Wärmeversorgung steht im Zentrum der energiewirtschaftlichen Optimierung einer Metropole wie Berlin.“ Das ist ein Leitsatz des Enquete-Berichts. Ohne eine Wärmewende werde es keine Energiewende geben. Ziel sei es, den Endenergieverbrauch um 50 bis 60 Prozent zu vermindern. Die Dämmung von Fassaden, Böden und Dächern stehe dabei nicht an erster Stelle, sondern der Ausbau der Fernwärme, mit der aktuell 30 Prozent der Gebäude versorgt werden.

Auch in der Innenstadt gebe es noch viele „weiße Flecken“, obwohl gerade die Stadtteile mit hoher Bebauungsdichte wirtschaftlich für Fernwärme erschlossen werden könnten. Einen flächendeckenden Ausbau hält die Kommission nicht für sinnvoll, sie empfiehlt dezentrale Teilnetze „in Siedlungen, Quartieren oder einzelnen Gebäuden“. Gespeist durch Solarthermie, Wärmepumpen oder kleine Blockheizkraftwerke (und deren Bündelung in einem „virtuellen Kraftwerk“), die mit Gas betrieben werden. Auch dabei könne die öffentliche Hand Vorreiter sein. Gefordert wird auch eine Begrenzung der Fernwärmepreise.

Keine Dreckschleudern mehr

Das Braunkohlekraftwerk Klingenberg, aber auch die mit Steinkohle befeuerten Heizkraftwerke Moabit, Reuter und Reuter West, die alle Vattenfall gehören, sind den Experten im Abgeordnetenhaus ein Dorn im Auge. Der Konzern müsse diese Anlagen „in absehbarer Zeit“ auf Gas- und Dampfturbinen umstellen, fordert die Kommission. „Der komplette Ausstieg aus der Kohleverstromung und -wärmegewinnung in Berlin sollte bis spätestens 2030 vollzogen sein.“ Zu spät kommt allerdings die Empfehlung an den Senat, darauf hinzuwirken, dass Vattenfall die Braunkohlesparte in der Lausitz nicht verkauft. Generell wird für eine engere energiepolitische Zusammenarbeit mit Brandenburg geworben.

Erneuerbare Energien

Photovoltaik, Windenergie, Biomasse, Solarthermie, Umweltwärme und andere erneuerbare Energieträger haben an der Wärmeversorgung Berlins nur einen Anteil von zwei Prozent – obwohl Berlin über „große Potenziale“ verfüge. Für Berlin seien Solarzellen auf den Dächern die „vielversprechendste Technologie“, die 25 Prozent der Stromerzeugung übernehmen könne. Aktuell sind es 0,6 Prozent. Bis 2025 sollten möglichst viele private und alle dafür geeigneten Dachflächen öffentlicher Bauten, einschließlich U- und S-Bahn, für Photovoltaikanlagen genutzt werden. Aber auch Biomasse sei in Berlin sehr gut geeignet für die Energiegewinnung. Jährlich fielen 1,2 Millionen Tonnen biogene Abfälle an.

Tipp: Wer seinen Anbieter wechseln und langfristig Geld sparen möchte, kann sich über den folgenden Stromrechner informieren. Unter dem Punkt "weitere Optionen" lassen sich über eine zusätzliche Schaltfläche auch Ökostromanbieter anwählen.

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