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Klimaschutz in Berlin: Höhere Parkgebühren für längere Autos?

Um Berlins Klimabilanz zu verbessern, kursieren originelle Ideen: Abwrackprämien für Haushaltsgeräte, Tempo 80 auf der Avus und eine Energiekarawane. Grundlage dafür ist das am Dienstag verabschiedete Berliner Energiewendegesetz.

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An Ideen mangelt es nicht, um Berlins Klimabilanz aufzufrischen: Eine Abwrackprämie für stromfressende Haushaltsgeräte, Tempolimit von 80 Stundenkilometer auf der Avus oder – besonders fantasievoll – eine „fahrzeuglängenabhängige Gebührenstaffelung“. Vulgo: Wer längere Autos fährt, zahlt beim Parken drauf. Einige Experten gehe davon aus, dass mit dieser Regelung besonders die Fahrer von CO2- Schleudern zur Kasse gebeten werden.

Vorschläge sind in der Welt, können aber bis zur Realisierung noch erheblich gestutzt oder als untauglich ausgemustert werden. Grundlage für solche Überlegungen ist das vom Senat am Dienstag verabschiedete Berliner Energiewendegesetz. Parallel dazu wird bis Ende des Jahres mit Verbänden und öffentlichen Trägern ein Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm (BEK) entwickelt, für das es bereits Vorschläge gibt. Bis zum 16. April können sich Berliner auch noch online unter klimaneutrales.berlin.de daran beteiligen. Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) sagte am Dienstag, dass die Vorschläge für das BEK Ende des Jahres vom Senat geprüft werden. Eine höhere Parkgebühr für längere Autos allerdings hält er schon jetzt für eine „schöne Idee, die aber technisch nicht umsetzbar ist“. Der in Pankow für den ruhenden Verkehr zuständige Stadtrat Torsten Kühne (CDU) sieht das ähnlich.

Private Haushalte

Im Rahmen einer freiwilligen Vereinbarung zwischen Senat und Handel sollen Kunden durch eine „Abwrackprämie“ ermuntert werden, ihre alte Stereoanlage durch eine energieeffizientere zu ersetzen. „Tauschgeschäfte“ sollen nicht möglich sein: Es gibt also keinen neuen Kühlschrank für ein Kassettenradio. Einen Zuschuss über Mikrokredite sollen einkommensschwache Haushalte erhalten. Zusammen mit den Energieversorgern soll geprüft werden, wie Heizungs- und Warmwasserrechnungen informativer gestaltet werden.

Konkret könnte aufgezeigt werden, wie viel der jeweilige Haushalt im Vergleich zu anderen verbraucht, oder wie weit man von Platz eins entfernt ist. Mit der Einführung einer „Berlin Green Card“ können Bürger Punkte für nachhaltiges Verhalten sammeln und diese auch für Prämien einsetzen. Um junge Konsumenten für das Thema Energieeffizienz zu sensibilisieren sollen gezielt Energieprojekte in Kitas und Schulen entwickelt werden. Touristen sollen umweltverträgliche Touren angeboten werden, um ihnen lokale Umweltprojekte zu zeigen.

Gebäude und Stadtentwicklung

Um Eigenheimbesitzer zu motivieren, moderne Brennstoffkessel oder Kraftwärme-Koppelungs-Anlagen zu installieren, sollen Förderprogramme entwickelt werden. Geisel nannte ein Landesförderprogramm eine „realistische Möglichkeit“. Die öffentliche Verwaltung hat eine Vorreiterrolle: Sie soll Sanierungsfahrpläne für die Gebäude entwickeln und diese mit einem Energiemanagementprogramm ausstatten. Im Energiewendegesetz ist ein Monitoring nach fünf Jahren vorgesehen. Dieses soll konkrete Zeitpläne, Finanzierung sowie Energiemanagementsysteme beinhalten, die CO2-Werte anzeigen. Ein Vorschlag lautet, bei Neubauten und Sanierungen eine aktive solare Nutzung des Gebäudes festzulegen. Kleine „smarte“ Wohneinheiten mit einer geringeren Wohnfläche pro Kopf sollen gefördert werden. Allerdings ist nicht geplant, Singles aus größeren Wohnungen zu „vertreiben“, sondern sie per Wohnungstauschbörse möglicherweise zum Umzug zu bewegen.

Durch ein Berliner Sanierungsnetzwerk soll ein spezielles Beratungsangebot aufgelegt werden. Ein Beispiel können „Energiekarawanen“ sein wie in der Metropolregion Rhein-Neckar, die das Dreiländereck Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen mit 150 Kommunen, sieben Landkreisen und drei Großstädten Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg umfasst. Vor fünf Jahren zogen ausgebildete Berater durch die Straßen von Viernheim „mit Kamel und Kaftan“, um Hauseigentümer über die Möglichkeiten für die energetische Sanierung zu informieren und sie zur Modernisierung zu motivieren. Immerhin planten 66 Prozent der beratenen Haushalte daraufhin, ihr Haus zu sanieren. Seitdem zogen mehr als 80 Karawanen durch die Region. Diese „aufsuchende Beratung“ könnte man in einigen Randbezirken in Berlin testen.

Verkehr: Tempolimit 80 auf der Avus?

Der Verkehrsbereich mache 25 Prozent der CO2-Belastung in Berlin aus, da gebe es dringenden Handlungsbedarf, sagt der grüne Verkehrsexperte Harald Moritz. Die Idee, das Parken für lange Autos zu verteuern, hält er für „grundsätzlich nicht falsch“, aber sie sei nicht zielgenau, weil auch schwach motorisierte Familienkutschen betroffen wären.

Eine anderen Vorschlag findet Moritz dagegen sinnvoll: eine neue Stellplatzverordnung einzuführen. Diese Verordnung gab es in den 1990er Jahren; sie schrieb Bauherren vor, eine Mindestzahl von Stellplätzen zu planen. Um den Verkehr zu reduzieren, wurde die Verordnung abgeschafft. Seitdem bestimmen die Bauherren selbst, wie viele Tiefgaragenplätze sie bauen wollen. Jetzt wird überlegt, die Zahl privater Stellplätze in einem Wohngebiet zu begrenzen. Das könnte bedeuten, dass der Bau einer Tiefgarage untersagt wird, wenn schon genügend Stellplätze in der Umgebung vorhanden sind.

Klimaexperten wollen auch an der sensiblen Tachonadel drehen. Ein Tempolimit von 80 Stundenkilometer auf der Avus zwischen Spanischer Allee und Funkturm wird vorgeschlagen. Ebenso wie eine „Straßenbenutzungsgebühr“, also eine City-Maut wie in London.

Berlin will bis 2050 klimaneutral sein

Bis 2050 will Berlin klimaneutral sein. Die CO2-Emissionen sollen bis 2050 um mindestens 85 Prozent im Vergleich zu 1990 gesenkt werden. Die Verwaltung will bis 2030 klimaneutral arbeiten. Dafür werden Sanierungsfahrpläne erstellt. Die Bezirke sollen Kohlendioxidbilanzen erstellen und „Aussagen“ zur Energieeinsparung treffen. Laut einer Selbstverpflichtungserklärung des Senats sollen zehn Prozent der 4200 Fahrzeuge des Landesfuhrparks auf Elektrofahrzeuge umgestellt werden. Ab 2020 sollen nur noch emissionsfreie BVG-Busse beschafft werden.

Die CDU-Fraktion kritisiert das Gesetz. Es sei zu unkonkret, Finanzierungsanreize würden fehlen. Man werde das Gesetz in der parlamentarischen Beratung „verbessern“. Die IHK fordert effiziente Strukturen und kritisiert die bisherigen Prozesse für eine Energiewende als „zu zäh“. Die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB) fordern innovative Lösungen. Entscheidend sei nun die Umsetzung im Berliner Energie -und Klimaschutzprogramm.

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