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Berlin: Klug kombiniert

Er kommt aus dem Westen, sie aus dem Osten. Oder umgekehrt Vier Paare erzählen, was ihnen ohne Wiedervereinigung entgangen wäre

Der Kühlschrank verrät es. Ostler können nicht mit Geld umgehen, sagt Harald Hauswald. Und meint damit in erster Linie sich selbst. „Wenn ich Schulden habe, ist das eben so. Da liegt noch ein Lernprozess vor mir.“ Seine Freundin Gudrun Uebigau ist streng genommen auch aus dem Osten, die beiden kennen sich noch aus Teenagerzeiten. 1981 hat sie „rübergemacht“, zum Schein einen Holländer geheiratet. Und deshalb „neun Jahre West-Vorsprung“. Das merkt man ganz deutlich, sagt sie. Vor allem beim Konsumverhalten: „Wenn ich eine Dose Erbsen kaufe, holt er gleich drei. Für schlechte Zeiten“. Seit Mitte der 90er sind die beiden ein Paar, wohnen aber getrennt. Sein Kühlschrank ist immer voll. Ihrer nur, wenn Hauswald ihn aufgefüllt hat. Ob die Ost-West-Unterschiede irgendwann verschwinden? „Das dauert.“ Hauswald ist Fotograf, in seinem neuesten Buch hat er Vorher-Nachher-Bilder von Ostlandschaften zusammengestellt. „Da geht die Veränderung schneller.“

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Eine Frage des Humors. Wenn Ricardo Schaller und Kerstin Schwarz über Politik reden, artet das schnell in Streit aus. „Weil sie nicht weiß, worüber sie spricht.“ Kerstin ist in Dortmund aufgewachsen und findet Sozialismus gar nicht so schlecht. Und in Ricardo steigt die Wut auf, wenn sie das sagt. Studenten sind beide, „aber das heißt doch nicht, dass man deshalb gleich verblendet sein muss“. Den kleinen Lenin-Kopf, den Kerstin als Briefbeschwerer benutzt, hasst Ricardo. Da fehle ihm ein bisschen der Sinn für Ironie, sagt sie. „Ich bin doch noch lange keine Leninistin deswegen.“

Ricardo meint, er habe es in der DDR „nicht überdurchschnittlich schlecht“ gehabt. Eine ganz normale Pankow-Vergangenheit. Aber er behauptet, dass er besser beurteilen könne, welches System lebenswerter sei. Wegen 16 Jahren Marktwirtschaft – und weil er früher Westfernsehen hatte. Walt-Disney-Streifen seien besser gewesen als tschechische Märchenfilme. Wenn er mit Kerstin mal Kinder hat, will er letztere jedenfalls nicht zeigen.

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Ein bisschen exotisch. Der Mann hat Nerven. Bekommt einen Strafzettel fürs Falschparken und kümmert sich nicht drum. Will erst mal die Mahnung abwarten, dann weitersehen. Für die Ärztin und Chanson-Sängerin Jeannette Urzendowsky war das anfangs unfassbar. Sie hatte in der DDR erfahren: Wenn sich die Behörden melden, sollte man besser gleich antworten. Tagesspiegel-Redakteur Christoph Stollowsky und seine Frau haben sich am Liepnitzsee kennengelernt. Im Sommer 1991, da war er gerade von Frankfurt am Main nach Friedrichshain gezogen. Sie lud ihn zur Trabbi-Rundfahrt ein, er kaufte ihr West-Langnese-Eis. Ihr erstes echtes Rendezvous hatten sie im Wintergarten-Varieté; nach der Vorstellung hob er sie zum Küssen auf die Motorhaube des Trabbis. Ein bisschen exotisch fand es Stollowsky, eine ostdeutsche Freundin zu haben. Jetzt wollte er viel über den Osten erfahren und mit Jeannette den Urlaub in Brandenburg verbringen. Sie wollte lieber nach Frankreich.

Ostfrauen sind in manchen Punkten anders, sagt Stollowsky. Vor allem praktisch, flexibel – und sparsam. Beide hat anfangs verwundert, wofür sie zu wenig und er zu viel Geld ausgeben wollte. Jetzt, nach zehn gemeinsamen Jahren in Friedrichshain und fünf in Steglitz, sind sie nicht mehr Westler und Ostler, sondern Rundum-Berliner mit einer sechsjährigen Tochter: Lena. Auch das mit ihrer Sparsamkeit hat sich längst gegeben, sagt er.

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Die Mischung macht’s. Eine Schande, dass der Sozialismus untergegangen ist. So stirbt die Kombination von DDR-Frau und BRD-Mann in ein paar Jahrzehnten aus. „Die Mischung ist ideal“, sagt Kai-Uwe Heinrich. „Ostfrauen trauen sich was, sind selbstständig, stehen mit beiden Beinen auf dem Boden.“ Was wohl daran liege, dass sie „drüben“ nicht auf Männer angewiesen waren. Und Westmänner wiederum seien witziger als die Ostexemplare, sagt Kai-Uwes Ehefrau Kitty. Vor allem nicht so wehleidig.

Vor elf Jahren haben sich der Kreuzberger und die Friedrichshagenerin beim Tagesspiegel kennengelernt – und sich schnell arrangiert: Er lernte, dass „Pop- Gymnastik“ nur ein anderes Wort für Aerobic ist. Sie lernte, mit den nervigen Fragen seiner Freunde umzugehen. „Die wollten wissen, wie ich das in der primitiven DDR ausgehalten habe. Als hätte ich drüben in der Steinzeit gelebt.“ Dabei war Kitty nach eigener Aussage ein „Edel-Ossi“. Nein, kein Parteimitglied, sondern mit Westbekannten. Einer arbeitete auf dem Fruchthof und schaffte das Obst gleich kistenweise rüber. sel

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