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Kneipen sind lauter als erlaubt: Stunk und Lärm am Winterfeldtplatz

Im Schöneberger Kiez ärgern sich Anwohner zunehmend über rücksichtslose Autofahrer, Qualm aus Bars und Lärm auf den Straßen.

Eigentlich geht es um Kneipen mit lauten Gästen, die laute Autos fahren. Und Krach um Lärm ist Routine in Berlin, ständig werden am Verwaltungsgericht Fälle verhandelt, in denen es um Ruhestörung geht. Doch zwischen Nollendorf- und Winterfeldtplatz in Schöneberg ist man vorsichtig: In einem seit Monaten schwelenden Streit legen beide Seiten viel Wert auf Anonymität. „Zitieren Sie mich bitte nicht mit Namen“, sagen Anwohner. „Lassen sie meinen Namen draußen“, wünschen sich auch Wirte und deren Gäste. Die Bürgerinitiative „Lärmfreier Nollekiez“ hat die Bars „Xara“ und „Masha“ im Visier. Und es scheint, als hätten beide Seiten viel Respekt voreinander.

Sowohl „Xara“ als auch „Masha“ sind Orient-Bars, die erst kürzlich aufgemacht haben. Die Gäste trinken Cocktails und rauchen Sisha, jene arabischen Wasserpfeifen mit süßem Fruchttabak. Der Rauch zieht zuweilen drei Etagen hoch – und da geht der Ärger erst los.

„Es stinkt“, sagt ein Anwohner. „Schlimmer aber ist, dass die Gäste rücksichtslos sind. Ich habe 120 Dezibel gemessen – und das im dritten Stock.“ In der Maaßenstraße sollen sich junge Männer aus den Bars mit ihren aufgemotzten Autos ohrenbetäubende Rennen liefern, berichten andere Nachbarn. Anwohner seien diese nicht. Normaler Verkehrslärm liegt bei 75 Dezibel. Schwere Karossen sollen auch durch die Fußgängerzone in der Nollendorfstraße rollen. „In den 80er Jahren waren die Hausbesetzer hier, in den 90er Jahren die Drogenszene, doch die Leute sind unverschämt“, sagt ein Anwohner.

Mit „die Leute“ sind junge Männer zwischen 20 und 30 Jahren gemeint, viele von ihnen stammen aus Einwandererfamilien, weshalb einige Anwohner reflexartig davon sprechen, dass „deutsche Gesetze“ auf dem Spiel stünden. Die Anhänger der Bürgerinitiative selbst bemühen sich um Sachlichkeit, am Dienstag haben sie sich bei einer Sitzung im Rathaus Luft gemacht. Viele fordern seit Wochen mehr Verkehrskontrollen, mehr Streifen des Ordnungsamtes, mehr Druck auf die Betreiber der Bars. Die Betreiberin des „Xara“ wohnt selbst im Kiez und erklärt: „Ich mache die Musik leiser und bitte große Gästegruppen nach drinnen, damit es an den Tischen auf dem Gehweg nicht laut wird.“ Immer mal wieder hätten sich einzelne Anwohner beschwert, die Bürgerinitiative aber nicht. Außerdem: Der Kiez stehe für Gastronomie. Der Chef des „Masha“ sagt, er könne nicht jeden Gast kontrollieren. Auch in seinem Laden sitzen Männer mit breitem Kreuz friedlich neben schmalen Touristen.

Neben den Touristen kommen auch immer mehr Rockerbanden in den Kiez. Lesen Sie weiter auf Seite 2.

Der Süden des Nollendorfplatzes ist seit Jahrzehnten gut besucht, galt aber im Vergleich zur Kreuzberger Oranienstraße oder der Simon-Dach-Straße in Friedrichshain eher als ruhig. Einst war er allenfalls für seine Schwulenbars bekannt – und ist auch deshalb bei feierfreudigen Besuchern beliebt geworden. „Ich dachte nicht, dass es in einer Stadt wie dieser Ärger um Bars gibt“, sagt eine Studentin aus Manchester, die im „Xara“ sitzt und an einem Drink nippt.

Die Touristen gingen ja noch, sagen Anwohner, problematisch sei viel mehr, dass einige der arabischen und türkischen Gäste konkurrierenden Rockerbruderschaften angehören sollen. Zwei Mal rückte in diesem Sommer die Polizei aus, weil Hells Angels und Bandidos quasi nebeneinander an den Wasserpfeifen zogen. Am Freitagabend haben sich vier Männer in einem nahe gelegenen Restaurant geprügelt. Dessen Betreiber sagt, mit Rockern habe das nichts zu tun.

Oliver Schworck kennt die Debatte im Kiez, der SPD-Mann ist Ordnungsstadtrat. Weder „Xara“ noch „Masha“ seien bisher besonders aufgefallen. Allerdings könne es sein, dass Tische und Stühle nicht immer nur auf den erlaubten Gehwegflächen stehen. Kontrollieren ließe sich dies aber nur bis 22 Uhr, danach seien keine Ordnungsamtmitarbeiter im Dienst. „Wir prüfen aber gerade, ob und mit welchen Pollern wir die Nollendorfstraße für Autos blockieren.“ Für Monika Thamm von der CDU ist dies ein erster Schritt. Sie warnt vor einem „Abrutschen des Kiezes“. Auch Thomas Birk (Grüne) sagt, er teile die Sorgen: „Den Lärm hört man bis in die Fuggerstraße.“ In der Maaßenstraße seien mehr Blitzer nötig. Unter Juristen ist umstritten, inwiefern Lokale für den Lärm verantwortlich gemacht werden können, den die Gäste bei der An- und Abfahrt verursachen. Richter müssen nicht nur berücksichtigen, wie sozial verträglich die Geräusche sind – Kinderlärm etwa wird oft toleriert –, sondern auch beurteilen, wie die Umgebung geprägt ist.

Beamten zufolge ist sowieso die Hälfte aller Kneipen in Berlin lauter als erlaubt: Ab 22 Uhr sind in der Regel 40 Dezibel vor dem Lokal zulässig. Das hieße, die Gäste müssten flüstern. Und auch die tagsüber erlaubte Grenze von 55 Dezibel wird bei Gruppengesprächen überschritten. Ein Gast im Sushi-Laden in der Maaßenstraße findet die Aufregung übertrieben. Er sieht sogar Vorteile. „Solange die Gegend so gemischt ist, steigen die Mieten auch nicht“, sagt er. Außerdem „ist es eh bald ruhiger, wenn nämlich der Winter am Winterfeldtplatz einzieht.“

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