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Berlin: Kneipentour mit Knarre

In zehn Wochen überfielen Unbekannte 17 Berliner Lokale. Die Polizei vermutet eine vierköpfige Bande hinter der Raubserie. Doch von den Tätern fehlt jede Spur

Der Gast, der das „Jägereck“ am Montagabend so eilig verließ, kommt Gastwirt Josef Mohr im Nachhinein verdächtig vor. Denn der Mann mit dem Muttermal auf der Stirn gehörte nicht zur Stammkundschaft der Lichterfelder Eckkneipe. Gegen 23.25 Uhr bestellte er ein Bier, trank nur einen Schluck, behauptete, er müsse mal kurz telefonieren und legte einen Zehn-Euro-Schein auf den Tresen. Sein Versprechen, in das Lokal an der Jäger- Ecke Ferdinandstraße zurückzukehren, hielt er nicht. 20 Minuten später kamen zwei maskierte und bewaffnete Männer. Es war der 17. Raubüberfall auf eine Kneipe seit dem 5. Oktober. Der Wirt vermutet, dass der späte Gast sein Lokal für den Überfall ausspionierte.

Der 52-jährige Mohr hat die beiden Täter als groß, athletisch und brutal in Erinnerung. Viel hat er jedoch nicht von ihnen gesehen. Er kam die Kellertreppe hoch und erhielt einen Schlag gegen die Brust, als er die Tür zum Gastraum aufdrückte. Er stürzte rückwärts die Treppe hinab. Durch den Kellerausgang gelangte der Wirt auf die Straße. Als er sein Lokal betrat, waren die Täter schon verschwunden. Knapp 600 Euro aus der Kasse und zwei Mobiltelefone waren weg. Und noch schlimmer: Es gab Verletzte. Die Bedienung lag hinter dem Tresen. Sie und auch der einzige Gast waren von den Täter blutig geschlagen worden.

„Ich weiß nicht, wo die Täter hingelaufen sind. Ich habe mich erst Mal um die Verletzten gekümmert“, sagte Mohr gestern. „Die kannten sich aus.“ Er zeigt auf seine elektronische Kasse: „Sie wussten genau, welchen Knopf sie drücken müssen, damit sie aufgeht.“ Und Mohr weiß, dass die Pistolen Gaswaffen waren: Er fand eine Patrone neben dem Musikautomaten.

Seit rund drei Jahren gehört Mohr das Lokal in Lichterfelde, und dort ist auch eine Häufung der Überfälle zu erkennen. Acht der bisher 17 Raubtaten sind in Steglitz verübt worden. „Die Täter sind aus dieser Gegend“, vermutete ein Gast im „Luiseneck“. Die Eckkneipe an der Lankwitzer-/Ecke Luisenstraße war am 14. November das Ziel der vermutlich vierköpfigen Bande. Der Gast hat die Raubserie verfolgt: „Lichterfelde-West und -Süd haben sie bisher ausgelassen. Aber das kommt auch noch.“ Da ist er sicher.

Das „Luiseneck“ stürmten drei maskierte Männer am 14. November gegen 23 Uhr und brüllten die Wirtin an: „Geld her!“ Als die Frau erstaunt fragte, ob es sich um einen Scherz handele, schlug sie einer der Männer ins Gesicht, sagt ihr Mann Lorenzo Gaglialdi. Die Täter erbeuteten nur die Aktentasche eines Gastes. Die Kasse seines Lokals hat Gaglialdi gut versteckt, die Täter nahmen sich nicht die Zeit, danach zu suchen. Vielleicht fühlten sie sich auch durch eine junge Frau gestört, die sie von der Straße aus beobachtete. Der Wirt weiß von seiner Frau, dass die Räuber zu Fuß geflohen sind und auf der Straße ihre Masken abgenommen haben. Gaglialdi sagt, die Männer seien blond gewesen. Deshalb glaubt er, dass es sich um Deutsche handeln muss. Zumindest hätten sie akzentfreies Deutsch gesprochen.

Das bestätigt auch Sylvana Frank. Sie wurde am 10. Dezember überfallen. Allerdings ist sich die Wirtin der Kneipe „Zur freien Aussicht“ an der Wilhelmshavener Straße in Moabit ganz sicher, dass die Täter Ausländer sind. Ihre beiden Gäste, Stammkundinnen, wurden brutal zusammengeschlagen: „Ich spüre die Verletzungen heute noch“, sagte Marina Göttert, eines der Opfer. Die Täter schlugen zu, weil die Frauen ihre Handtaschen nicht hergeben wollten. Sylvana Frank kam unverletzt davon. Sie öffnete sie Kasse, als die drei Männer es von ihr verlangten: „Wenn man Widerstand leistet, dann schlagen sie zu.“ Aber sie hat auch mitbekommen, dass ein vierter Mann vor dem Lokal Schmiere stand. Er schaute während des Überfalls kurz in die Kneipe. Nach dem Überfall hat Sylvana Frank Schutzmaßnahmen ergriffen. Welche, will sie nicht verraten. Die Polizei hat noch keine Spur von der Bande, deren Beute bei allen Überfällen karg blieb und maximal einige 100 Euro pro Überfall betrug. Aber die Täter hinterließen eine Blutspur: Zehn ihrer Opfer mussten ihre Verletzungen im Krankenhaus behandeln lassen.

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