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Gegen Ende der Legislaturperiode wird der Zwist zwischen Michael Müller und Frank Henkel immer größer.

© Gregor Fischer/dpa

Koalition vor der Wahl in Berlin: Die eiskalte Scheidung von Müller und Henkel

SPD und CDU grenzen sich in Berlin scharf voneinander ab. Das hat auch mit der AfD zu tun - und ist ein Risiko für beide Seiten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Nowakowski

Die Senatssitzung am Dienstag braucht garantiert keine Klimaanlage. Es wird auch so eiskalt sein, wenn der Regierende Bürgermeister dem „Bremser und Blockierer“ von der CDU gegenübersitzt. Was Michael Müller über CDU-Chef Frank Henkel sagt, darf man eine offizielle Scheidungserklärung nennen. Eine vertrauensvolle rot-schwarze Partnerschaft gibt es ohnehin schon länger nicht – dazu hat es letzthin von der Rigaer Straße bis zur Integration zu oft gerumpelt. Bisher aber vermied Müller eine Festlegung, mit wem er nach der Wahl regieren möchte – falls es reicht.

Das ist nun schon mal geklärt. Nicht nur Müllers Wahlplakate, bei denen er anfangs verschwommen zu sehen war, stellen ihn nun scharf konturiert heraus. Auch seine Ansagen werden härter. Wir sehen den Beginn eines Lagerwahlkampfs, der bis zum 18. September erhebliche Schärfe entwickeln könnte.

Überraschen wird das Henkel kaum. Schließlich hat er mit seiner Forderung nach Burka-Verbot und Abschaffung des Doppelpasses die Abgrenzung der SPD provoziert. Nicht unbedacht, sondern mit dem klaren Ziel, bei jenen Berlinern zu punkten, die sich auch ein Kreuz bei der AfD vorstellen können. Und das könnten, wie in der CDU befürchtet wird, viele ihrer eigenen Stammwähler sein.

Wenn zudem der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner dem Innensenator Versagen bei der städtischen Sicherheit vorwirft, weil Henkel No-go-Areas zugelassen habe, läuten bei der CDU die Alarmglocken. Freuen wird sich darüber die AfD – sie hat es geschafft, dass alle Parteien auf sie reagieren: die SPD mit demonstrativer Betonung der liberalen und toleranten Stadtgesellschaft, die CDU mit einschwenken auf AfD-Positionen.

Mancher Christdemokrat hält Henkels Vorgehen für Affront gegen Merkel

Die Niederlage der CDU-Spitzenkandidatin Julia Klöckner in Rheinland-Pfalz zeigte, dass dies auch schiefgehen kann. Sich wie Klöckner abzusetzen vom Merkel-Kurs in der Flüchtlingskrise bestärkte dort potenzielle CDU-Wähler, ihre Stimme lieber gleich der AfD zu geben. Schon vor dem Treffen der CDU-Innenminister, bei dem die „Berliner Erklärung“ beraten wird, ist Henkel in der Bundes-CDU isoliert. Bundesinnenminister Thomas de Maizière distanzierte sich; auch einige Landesinnenminister betonen auffällig, es handele sich um ein unabgestimmtes Arbeitspapier. Mancher Christdemokrat hält Henkels Verhalten gar für einen Affront gegen Merkel.

Auch SPD-Chef Müller ist erstmals aus der Deckung gekommen damit, dass eine rot-rot-grüne Koalition ein Signal wäre für Berlin und andere Bundesländer. In der machtbewussten SPD, die nervös auf die als unbefriedigend empfundene Wählerzustimmung schaut, ist der Hinweis auf eine Dreier-Koalition das Eingeständnis eigener Schwäche – auch wenn viele Genossen im traditionell linken Landesverband eine solche Aussicht freut.

Verabschiedet hat man sich aber von der Hoffnung, so stark zu werden, dass es mit einem Partner für eine Regierungsbildung reicht. Wobei nicht ausgeschlossen ist, dass die Grünen noch an der SPD vorbeiziehen. Für die SPD ist es deshalb wichtig, mit klarer Abgrenzung zur CDU ihre Stammwähler zu mobilisieren – und zu hoffen, dass die darüber die schwache Bilanz der letzten fünf Regierungsjahre vergessen.

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