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Man hat sich nicht mehr viel zu sagen. Zwar tagt das Berliner Abgeordnetenhaus in der nächsten Woche wieder, frisch gestärkt nach längerer Osterpause, aber die Koalitionspartner SPD und CDU gehen sich auch öffentlich fast nur noch an.

© dpa

Koalitionskrach in Berlin: SPD und CDU: Da läuft nichts mehr rund

Bis zur Wahl hatten SPD und CDU noch einiges vor. Doch die aktuelle Krise - von Kotti über Flüchtlinge bis hin zum ICC - lähmt die Landespolitik.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Es fallen viele böse Worte, aber es fehlen die guten Taten. So lässt sich die aktuelle Lage in der rot-schwarzen Koalition wohl am besten zusammenfassen. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) wirft dem Regierungspartner CDU vor, ihn öffentlich beschädigen zu wollen und gibt seinem Innensenator Frank Henkel (CDU) öffentlich ein paar Arbeitsaufträge mit (wie am Montagabend in den ARD-"Tagesthemen", wo er sagte: Am Kriminalitätsschwerpunkt Kottbusser Tor sei es "dringend überfällig, dass der Innensenator zusammen mit anderen vor Ort die Dinge auch angeht"). Der Generalsekretär der Union, Kai Wegner, beklagt wiederum die mangelnde Souveränität Müllers, der wie ein Parteisoldat agiere. Hinter den Kulissen wird noch ganz anders übereinander geredet.

Die SPD glaubt eh an ihren Wahlsieg

Gleichzeitig stockt die Regierungsarbeit, fast alle großen Themen, die Berliner bewegen, werden nicht – oder ohne große Wirkung – angefasst. Die führenden Leute werden gegenseitig schlecht gemacht, aber sie tun auch nicht viel, um ihr Image zu verbessern. In diesem Zustand muss die Koalition noch Pfingsten und die Sommerferien überstehen. Dann wird gewählt, am 18. September.

Die Berliner Sozialdemokraten gehen wie selbstverständlich davon aus, weiterregieren zu können. Bei den Christdemokraten macht sich eine gewisse Resignation breit. Der CDU fehlt der Rückhalt bei den Wählern, aber auch ein Bündnispartner, mit dem man gemeinsam die SPD ablösen könnte. Die Stimmung ist schon lange mies, aber die Affäre um einen freihändigen Auftrag der Senatskanzlei für McKinsey, von dem der Ex-Staatssekretär und Sozialdemokrat Lutz Diwell indirekt profitierte, hat das gegenseitige Misstrauen noch verstärkt. Den öffentlichen Vorwurf der SPD-Vetternwirtschaft hat sich die Union sofort zu eigen gemacht. Die Führungscrew um Müller fühlt sich wiederum als Opfer einer Kampagne, die von dunklen Mächten in der CDU angezettelt worden sei.

Auf beiden Seiten kräftig aufgerüstet

Angesichts des bevorstehenden Wahlkampfs, in dem keine Partei etwas zu verschenken hat, wurde rhetorisch auf beiden Seiten kräftig aufgerüstet. Und es sieht nicht so aus, als wenn die beiden Koalitionspartner von der Palme wieder herunterkommen wollten. Von Woche zu Woche wird mehr Kraft darauf verwendet, sich gegenseitig madig zu machen und fast alle Projekte, die man noch gemeinsam anpacken könnte, zu blockieren. So ist der Masterplan für die Integration der Flüchtlinge jetzt stark belastet durch die McKinsey-Affäre. Hinzu kommt, dass das vorliegende Konzept in der Sache kein großer Wurf ist.

Gespannt darf man sein, ob es noch gelingt, das neue Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten bis zum Spätsommer vernünftig aufzubauen. Auch sind zehntausende Flüchtlingsunterkünfte, in Containern und modularen Fertigbauten, bisher nur angekündigt – und die Sporthallen, die als Notunterkünfte dienen, sind noch lange nicht freigeräumt. Seit Montag werden Unterschriften für ein Volksbegehren zugunsten der Turnhallen gesammelt. Sprecher der Aktion ist der Reinickendorfer CDU-Abgeordnete Michael Dietmann.

Auch für ein anderes großes Problem, den Wohnungsbau und bezahlbare Mieten, wird es vor der Wahl für viele Bürger keine befriedigende Lösung geben. Mieten und Immobilienpreise steigen in Berlin stetig und die neue staatliche Wohnungsbauförderung erfüllt bisher nicht ihren Hauptzweck, nämlich die Mietpreise zu dämpfen. Das ist ein Thema, das vor allem auf die sozialdemokratische Seele drückt. Genüsslich arbeitet sich die CDU am Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) ab, dessen Amtszeit bisher keine große Erfolgsgeschichte ist. Jetzt ist auch noch die Sanierung des ICC akut gefährdet. Ein Projekt, mit dem sich nicht nur Geisel, sondern vor allem der Regierungschef Müller profilieren wollte.

Miturheber einer kollabierenden öffentlichen Verwaltung

Währenddessen müht sich Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) damit ab, tausende Lehrer für die Berliner Schulen zu finden. Ein heikles Thema, zudem der Beginn des nächsten Schuljahres gefährlich nahe am Wahltermin liegt. Die Sanierung der Schulen aus Haushaltsüberschüssen kommt auch nur schleppend voran. Die Wähler vertrauen der Senatorin jedenfalls nicht, Scheeres ist auf den Beliebtheitsskalen der Meinungsforscher ganz nach hinten weggerutscht. Im Gegenzug bieten auch christdemokratische Senatoren breite Angriffsflächen, in diesem Fall zugunsten der SPD.

So gelingt es dem CDU-Landeschef und Spitzenkandidaten Frank Henkel nicht so recht, als Garant für Sicherheit und Ordnung Punkte zu sammeln. Schlimmer noch – er gilt inzwischen als Miturheber einer kollabierenden öffentlichen Verwaltung. Die Bürgerämter sind dafür nur ein Symptom. Es gibt behördenübergreifend keine funktionierende Personalentwicklung, Organisation und Informationstechnik sind in einem denkwürdig schlechten Zustand.

Da hilft es der Union wenig, auf den früheren rot-roten Senat zu zeigen, der die Landesverwaltung kaputtgespart habe. Auch Sozialsenator Mario Czaja, der lange als CDU-Hoffnungsträger galt, hat als Chef des Landesamts für Gesundheit und Soziales (Lageso) kräftig Federn gelassen. Die SPD hat ihn voll im Visier. Aktuell scheint es so, als wenn beide Regierungsparteien nicht einmal an einem Waffenstillstand interessiert wären.

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