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Der S-Bahn-Streit schwelt schon seit Jahren.

© dpa

Koalitionskrach: Zukunft der S-Bahn entzweit SPD und CDU

Berlins Koalition streitet sich immer offener um die Zukunft der S-Bahn. Viele Sozialdemokraten wollen den maroden Betrieb an die BVG übertragen, doch der Partner blockiert.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der Streit um die Zukunft der Berliner S-Bahn treibt die rot-schwarze Koalition auseinander. Während die SPD dazu tendiert, den Betrieb in kommunale Hände zu legen, besteht die CDU darauf, dass der Senat die Teilausschreibung des S-Bahnrings „rechtssicher“ fortsetzt – trotz eines Urteils des Kammergerichts, das vor einer Woche dazu riet, das laufende Vergabeverfahren einfacher zu gestalten.

Der CDU-Fraktionschef Florian Graf sieht darin aber keine Aufforderung, die Ausschreibung abzubrechen und die S-Bahn beispielsweise an die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) zu vergeben. „Das jahrelange Hin und Her zur möglichen Direktvergabe hat bereits viel zu viel Zeit gekostet“, sagte Graf. Er kritisierte damit indirekt die Sozialdemokraten, die eine solche Direktvergabe bevorzugen. In Partei und Abgeordnetenhausfraktion der SPD gibt es dafür eine Mehrheit. Trotzdem beschloss der Senat im Juni 2012 die Teilausschreibung des S-Bahnrings einschließlich der Zubringerlinien im Südosten Berlins. Doch auf der Fraktionsklausur am Wochenende in Polen erhöhte sich nach der Entscheidung des Kammergerichts der Druck auf Senator Michael Müller, die S-Bahn zu kommunalisieren.

Dagegen verwies CDU-Fraktionschef Graf auf die Koalitionsvereinbarung, die eine Direktvergabe nicht vorsehe. Im Gespräch mit dem Tagesspiegel machte er deutlich, dass die Union an der Seite Müllers stehe, der das laufende Vergabeverfahren korrigieren, aber nicht aufgeben will. „Das finde ich sehr plausibel“, sagte Graf. Beide Regierungsfraktionen werden sich am Dienstag mit dem konfliktträchtigen Thema befassen. Gleichzeitig wird die Fraktions-Arbeitsgruppe „Daseinsvorsorge“ voraussichtlich energisch dafür plädieren, von der Teilausschreibung abzurücken.

In der Berliner Koalition werden auch angesichts des heraufziehenden Bundestagswahlkampfs immer mehr Themen strittig diskutiert (siehe Kasten). Und im drohenden Streit um die S-Bahn zeichnet sich noch kein Kompromiss ab. Im Gegenteil, CDU-Verkehrsexperte Oliver Friederici legt hier noch eins drauf. „Da muss Müller jetzt durch“, forderte er am Montag. Eine Direktvergabe der S-Bahn an die BVG „geht gar nicht“. Die Berliner Verkehrsbetriebe seien ein hoch verschuldetes Unternehmen, das überhaupt keine Erfahrung mit dem Eisenbahnverkehr habe. Außerdem wäre dies „eine sehr, sehr teure Lösung des Problems“.

Friederici erinnerte daran, dass nicht nur die BVG-Chefin Evelyn Nikutta, sondern auch die Arbeitnehmervertreter sich gegen eine Übernahme der S-Bahn bis heute wehren. Finanzsenator und BVG-Aufsichtsratschef Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) steht auf ihrer Seite. Außerdem würde eine Übernahme durch die BVG viel Zeit und Kraft kosten, warnte der CDU-Politiker. „Auch die Fahrgäste hätten davon keinen Vorteil.“

Der Konflikt hat Geschichte

Und was fährst Du so? BVG-Chefin Sigrid Nikutta will die S-Bahn nicht, Finanzsenator Ulrich Nußbaum steht ihr bei.
Und was fährst Du so? BVG-Chefin Sigrid Nikutta will die S-Bahn nicht, Finanzsenator Ulrich Nußbaum steht ihr bei.

© Rückeis

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hat sich in den Konflikt bislang nicht öffentlich eingemischt. Bisher galt er als Verfechter der Teilausschreibung, an der sich die Bahn AG und Großunternehmen aus Frankreich, Großbritannien und China beteiligen. Sollte das Verfahren gekippt werden, müsste der Senat mit Schadensersatzklagen der Mitbewerber rechnen. Das Abgeordnetenhaus wird sich mit dem Thema am Donnerstag in einer Aktuellen Stunde befassen.

Die Grünen forderten am Montag erneut, „die Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verfahrens schnell aus dem Weg zu räumen“. Der Senat müsse die S-Bahnzüge selbst bestellen und einen landeseigenen Fuhrpark aufbauen. Die potenziellen Zughersteller sollten zu einem Krisengespräch eingeladen werden. Die Vergabe der S-Bahn an einen kommunalen Träger lehnen die Grünen ab. Zumal der S-Bahnbetrieb länderüberschreitend sei. Das Land Brandenburg müsste einbezogen werden. Dagegen steht die Linkspartei Schulter an Schulter mit der SPD-Linken. Das laufende Verfahren zur „Teilprivatisierung“ der S-Bahn müsse gestoppt und der Betrieb kommunalisiert werden. Die notwendigen neuen Fahrzeuge müsse der Senat „sofort beschaffen“.

Der Konflikt hat Geschichte: 1984 übergab die DDR-Reichsbahn ihre ziemlich marode, nur noch auf wenigen Strecken fahrende S-Bahn an die BVG in West-Berlin. Es war ein sündhaft teurer Kraftakt, der den Bundes- und Landeshaushalt jährlich mit dreistelligen Millionenbeträgen belastete. Seit 1994 wird die S-Bahn von der bundeseigenen Bahn AG betrieben. 1999 scheiterten Gespräche zur Gründung einer Holding, die BVG und S-Bahn vereinigen sollte. Allerdings unter Regie der Deutschen Bahn.

Die Diskussion über das Schicksal der S-Bahn lebte wieder auf, als der Betrieb im Winter 2009 wegen erheblicher technischer und organisatorischer Probleme fast zusammenbrach. Ende 2017 läuft der Verkehrsvertrag mit der S-Bahn aus. Berlin und Brandenburg suchen für die Zeit danach einen neuen Betreiber (dies könnte auch wieder die Bahn AG sein). Ein neuer Vertrag muss her, aber auch neue Fahrzeuge. Allein 380 Wagen für den Ringverkehr – bis spätestens 2020.

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