zum Hauptinhalt
Berlins Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) ist derzeit an mehreren Fronten in Bedrängnis.

© dpa

Koalitionskrise in Berlin: Wowereit: Heilmann bedauert sein Vorgehen

Im Senatskonflikt um die Vergabe des Berliner Gasnetzes hat ein Spitzengespräch stattgefunden. Die Erklärung, die Klaus Wowereit danach verbreitete, ist eine verbale Ohrfeige für Justizsenator Thomas Heilmann.

Von

Vorausgegangen war ein Krisengespräch beim Regierenden Bürgermeister im Roten Rathaus, in dem es um den Streit ging, der den Berliner Senat in den vergangenen Tagen gelähmt hatte. An dem Spitzengespräch nahmen die beiden Hauptkontrahenten, Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) und Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) teil, dazu Regierungschef Wowereit sowie der Innensenator und CDU-Landesvorsitzende Frank Henkel.

In dem Gespräch wurde "die Diskussion rund um die Vergabe der Gaskonzession erörtert", teilte die Senatskanzlei am Donnerstagmittag mit. Klaus Wowereit erklärte nach dem Treffen: "Der Senator für Justiz zieht sein Unterlassungsbegehren gegenüber dem Finanzsenator zurück. Der Senator für Justiz bedauert sein Vorgehen. Interne Auseinandersetzungen im Senat sind kollegial und politisch zu klären."

Zuvor hatte der koalitionsinterne Streit um das Berliner Gasnetz eine neue Stufe erreicht. Justizsenator Heilmann wollte mit einer Unterlassungserklärung den Finanzsenator daran hindern, diskriminierende Fragen zu wiederholen. "Wir haben das Schreiben des Anwalts von Herrn Heilmann bekommen", hatte Nußbaum am Mittwoch dem Tagesspiegel bestätigt. "Ich werde in Absprache mit dem Regierenden Bürgermeister darauf nicht reagieren."

Nußbaum: "Konflikte nicht über Anwälte lösen"

Nach Meinung Nußbaums werden "Konflikte im Senat nicht über Anwälte gelöst". Wenn der Finanzsenator die Unterlassungserklärung ignoriert, müsste der Justizsenator ihn verklagen. Heilmann werde nicht klagen, verlautete bereits vor dem Krisengespräch vom Donnerstag aus CDU-Führungskreisen. Im Streit zwischen beiden Regierungsmitgliedern geht es um Fragen, die Nußbaum in der Senatssitzung am Dienstag zum Engagement Heilmanns als Mitgesellschafter der Ampere AG und seinen Kontakten zur Gasag stellte. Dem Vernehmen nach fragte Nußbaum auch nach Verbindungen zum Gasag-Miteigentümer Eon.

Ausgangspunkt des Konflikts war die Vergabeentscheidung des Finanzsenators für die Gasnetzkonzession zugunsten des landeseigenen Unternehmens "Berlin Energie", die Heilmann nach Prüfung durch die Justizverwaltung als teilweise rechtswidrig einschätzte. Der Mitbewerber und derzeitige Netzbetreiber Gasag hatte das Nachsehen. Der Senat nahm am Dienstag Nußbaums Votum dennoch "zustimmend zur Kenntnis". Dies war ein Kompromiss. Die Union wollte die Vergabe nur "zur Kenntnis" nehmen. Die SPD hätte es lieber gesehen, wenn der Senat der Vorlage ausdrücklich zugestimmt hätte. Heilmann nahm an der Abstimmung nicht teil. Amtskollege Nußbaum sprach nach der Kabinettssitzung öffentlich von einem "Befangenheitsgefühl" des Justizsenators. Der konsultierte daraufhin seinen Rechtsanwalt.

Wie ist die Vergabe wirklich gelaufen?

Wie genau der Vergabeprozess ablief, ist unklar. Vonseiten Nußbaums gibt es dazu widersprüchliche Angaben. Einerseits antwortete seine Sprecherin Kathrin Bierwirth am Donnerstag auf entsprechende Fragen des Tagesspiegels: „Das Vergabeverfahren wird durch die Vergabestelle durchgeführt, die nach der Geschäftsordnung des Senats bei der Finanzverwaltung angesiedelt ist.“ Im Widerspruch dazu stehen Angaben von Nußbaum beim SPD-Pressefest am Dienstag. Dort hatte sich der Senator darüber empört, ihm sei im Zusammenhang mit der Vergabe rechtswidriges Verhalten vorgeworfen worden. Auf den Einwand, die Kritik beziehe <SB320,100,230>sich auf die Vorlage, die von seiner Vergabestelle erarbeitet worden sei, antwortete Nußbaum: „Welche Vergabestelle? Das habe ich in Zusammenarbeit mit meiner Staatssekretärin entschieden.“ Die Frage, ob es zutrifft, dass der Senator und seine Staatssekretärin die Punkte zur Bewertung der Bewerber um das Gasnetz persönlich verteilt haben, ließ Nußbaums Sprecherin unbeantwortet.

"Wir wollen keine weitere Eskalation"

SPD- und CDU-Führungsleute versuchten am Mittwoch, die Wogen zu glätten. "Wir wollen keine weitere Eskalation", hieß es im Roten Rathaus. Ein CDU-Spitzenmann sagte dem Tagesspiegel: "Es ist dringend geboten, dass zwei so profilierte und wichtige Senatoren ihre eigenen Interessen zurücknehmen und stattdessen wieder den Gesamtinteressen der Stadt dienen." Regierungschef Wowereit solle als Dienstherr die beiden Streithähne an einen Tisch holen. Mit dem Ziel, dass der eine Senator nicht mehr über die angebliche Befangenheit des anderen spekuliere – und der andere Senator darauf verzichte, dies auf dem Rechtsweg durchzusetzen. Mit einer Unterlassungserklärung kann juristisch erzwungen werden, dass ein rechtswidriges Verhalten nicht wiederholt wird. Verbunden ist dies oft mit der Androhung einer Vertragsstrafe.

Abgeordnete beider Regierungsfraktionen zeigten sich überrascht und entsetzt über das Verhalten Heilmanns wie Nußbaums, der sich, so hieß es, immer wieder mit Senatskollegen anlege. Auf einem Sommerfest äußerte sich SPD-Fraktionschef Raed Saleh aber zufrieden mit der Senatssitzung. "Ich bin froh, dass sich die Vernunft durchgesetzt hat."

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false