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Einer fehlt: Neben Daniel Wesener (Grüne), SPD-Landeschef Michael Müller und Klaus Lederer (Linke, v.l.) hat auch SPD-Fraktionschef Raed Saleh was zu sagen.

© Jörg Carstensen/dpa

Koalitionsverhandlungen in Berlin: Eine rot-rot-grüne Vision muss schnell erkennbar werden

Am Tisch sitzen vier Parteien: Linke, Grüne und vor allem die entzweite SPD müssen sich auf eine Regierung für Berlin einigen. Dann könnte die Hauptstadt ein Vorbild für das Land werden. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Robert Ide

Das gab’s noch nie. Heute beginnen in Berlin die Koalitionsverhandlungen, und am Tisch sitzen vier Parteien: auf der einen Seite erstarkte Linke und geschwächte Grüne, die endlich mitregieren wollen, auf der anderen Seite die zweigeteilte SPD. Das ist die des siegreich unterlegenen Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (Wahlkampfmotto: Berlin bleibt, wie es ist) und die des machtbewussten Fraktionsvorsitzenden Raed Saleh (Motto: Berlins Politik kann nicht bleiben, wie sie ist).

Welche Vision von der wachsenden Hauptstadt vereint nun eine solche rot-rot-grüne Regierung? Das sollte für die Berliner, von denen sich viele bei der Wahl für die Angstpartei für Deutschland (AfD) entschieden haben, schnell erkennbar werden. Damit Berlin nicht bleibt, wie es ist: unter Weltstadtniveau regiert.

Nach dem schwächsten Abschneiden seit Kriegsende befindet sich die SPD in einer dramatischen Selbstfindungsphase, die der Parteiführung entgleitet. Das wird die Verhandlungen wohl nicht einfacher machen; wie auch der Umstand, dass Michael Müllers Schweigen die öffentliche Aufarbeitung des schwachen Ergebnisses begleitet.

Wir brauchen in Berlin keine Vision, sondern anpackende Politiker. Alle Parteien haben die Probleme breit dargestellt. Nun heißt es nicht weiter reden, sondern auch ohne Vision arbeiten.

schreibt NutzerIn w.r.

Dennoch hat der innerparteiliche Streit eine hoffentlich reinigende, ja erfrischende Wirkung. Denn mit der Selbstbefragung muss eine ehrliche Antwort einhergehen: Wie nah ist die Politik wirklich dran an ihren zuweilen zu Recht besorgten Bürgern angesichts der täglichen Zumutungen? Das sind die, die im Bürgeramt ewig auf einen Termin und im Verkehr eine halbe Stunde auf die S-Bahn oder ein halbes Jahr auf die Vollendung einer Straßenbaustelle warten müssen.

Die Bürger müssen darum anders beteiligt werden als bisher. Anstatt auf dem Verwaltungsweg ausgebremst zu werden, muss Regierungshandeln erstens transparent, zweitens den Bedürfnissen schneller als bisher gerecht werden. Ein Beispiel, was in Zukunft nicht mehr geht: Dass im Zweifel Luxusträume der Immobilienwirtschaft wahr werden, aber zu wenige bezahlbare Wohnungen mit dazu gehörigen Schulen und Bahnstationen entstehen, wenn von einer Verdichtung gewachsener Kieze oder der Errichtung neuer Stadtviertel die Rede ist.

Sozial wird Politik auch dadurch, dass sie sich sozial verhält

Die Betroffenen von Politik ernst zu nehmen heißt mehr denn je, sie anzuhören und unabweisbar berechtigte Einsprüche aufzunehmen. Das ist nicht bloß eine Stilfrage, das ist eine Grundfrage, gerade in Berlin, das von seinen Ämtern geschunden ist. Sozial wird Politik auch dadurch, dass sie sich sozial verhält.

Also wofür nun Rot-Rot-Grün? Für eine intakte Infrastruktur zum Beispiel. Das ist für Berlin schon eine Vision. Und wenn sie wahr würde – dann würde sie allgemein anerkannter Ausweis für eine rot-rot-grüne Politik, die auch für das Bundes-Berlin eine Machtalternative aufzeigt. Weil sie sich im Alltag von Berlin-Berlin bewährt hat. Weil sie mit modernen Verwaltungsabläufen, Verkehrskonzepten und Verständigungsprozessen gezeigt hat, wie man an sich selbst wachsen kann. Und das dazu noch mit Gefühl für den abgehängten Einzelnen am Rand ebenso wie für die dynamischen Gruppen in der Mitte.

Eine funktionierende Stadt als Vorbild dafür, wie es im Land funktionieren kann – dafür allerdings ist die Basis eine stimmige Koalition, die den Bürgern glaubhaft vermittelt, dass sie nicht für sich, sondern für sie regiert. Das gibt’s in Berlin auch nicht alle Tage.

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