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Berlin: Koalitionsverhandlungen: Keine Rede von der Ampel

Es sollte der Tag der Wahl des rot-gelb-grünen Senats werden. Und was haben wir nun?

Es sollte der Tag der Wahl des rot-gelb-grünen Senats werden. Und was haben wir nun? Ein merkwürdiges Zwischenstadium. Der rot-grüne Minderheitssenat amtiert noch, aber der rot-rote Senat in spe zieht schon die Fäden. Und nicht nur die Ampel ist tot, sondern auch die Bewerbung Berlins um die Olympischen Spiele 2012, so beschlossen am Donnerstag im Abgeordnetenhaus mit den Stimmen von SPD, PDS und Grünen.

Der Berliner Konzertchor rührt die Abgeordneten vor Beginn der 2. Sitzung dieser Wahlperiode und letzten in diesem Jahr mit wunderbaren Weihnachtsliedern. "Lasst schlafen das Kind." Die Grünen-Kulturexpertin Alice Ströver weiß: "Es ist ein Protest-Gesang", denn der Chor erhält keine regelmäßigen Zuschüsse mehr; Berlin ist klamm. Senator Klaus Böger hört andächtig zu. Und Parlamentspräsident Walter Momper bedankt sich warmherzig, dass der Chor gekommen ist, "der Politik das Herz zu öffnen in unserer Weihnachtssitzung".

Der neue Präsident eröffnet die Sitzung wohldosiert sachlich und locker mit Interna. Alle sollten sich in die "Lohnliste" eintragen; das ist die Anwesenheitsliste. Wer fehlt, kriegt nämlich 100 Mark von den Diäten abgezogen. Die Mienen der drei Grünen-Senatoren verraten das Bewusstsein, dass sie zum letzten Mal auf der Senatsbank sitzen. Adrienne Goehler (Kultur) und Wolfgang Wieland (Justiz) dürfen in der Fragestunde noch einmal Rede und Antwort stehen. Axel Hahn (FDP) kriegt eine Ermahnung von Präsident Momper für die polemische Frage an Wieland, ob er nur noch als "Sachverständiger mit Dienstwagen" auftrete. "Als Senator!", sagt Wieland. Sonst sitzt er da wie ein leidender Buddha. Klaus Wowereit liest neben ihm so konzentriert Akten, dass er Wieland gar nicht zu bemerken scheint. Aber ab und zu winkt der Regierende Spitzenbeamte zum Rapport heran. Durch die Reihen geht der neue PDS-Chef Stefan Liebich wie ein schneidiger junger Offizier in Zivil. Die Fraktionsgeschäftsführer von SPD und PDS schäkern in einer Ecke.

Dann macht alle das Olympia-Thema munter. SPD-Fraktionschef Michael Müller und PDS-Kollege Liebich singen das Grablied auf die Olympia-Bewerbung fein abgestimmt in Moll. Es könnte schön sein, aber Berlin hat andere Sorgen, kein Geld, Verzicht aus Vernunft. Grünen-Fraktionschefin Sibyll Klotz schlägt den selben Ton an, nur etwas rigoroser. CDU-Fraktionschef Frank Steffel ist der Bildung des "Links-Linksaußen-Senats" weit voraus. Er hält er schon eine vorweggenommene Debattenrede zur Regierungserklärung, obwohl überhaupt erst am 17. Januar Senatswahl sein soll. "Alles, was Ihren geistigen Horizont übersteigt, halten Sie gleich für Größenwahn", schleudert er SPD und PDS entgegen, kein Ehrgeiz, kein Selbstbewusstsein, keine Weltoffenheit, "Verzicht auf Vernunft". Von den Hinterbänken der CDU wird der forsche Steffel noch angefeuert, aber Ex-Finanzsenator Peter Kurth (CDU) liest lieber Zeitung.

Andere Reden hört sich Steffel nicht an. Auch Gregor Gysi hat sich in die übliche Gangart eingereiht. Er erscheint überhaupt erst zur Liebich-Rede. Klaus Böger als Sportsenator ist tiefsinnig. Er war sehr für die Olympia-Bewerbung und muss nun für den Senat den Verzicht begründen, den der Senat gar nicht beschlossen hat. Den haben die Koalitionsunterhändler auf Druck der PDS beschlossen. Entsprechend trocken hört sich Bögers Rede an, wenngleich sie im Rahmen der SPD/PDS-Linie bleibt.

Wie es nun so ist in diesem Interregnum: Die Aktuelle Stunde hat die SPD nicht mehr mit dem Noch-Koalitionspartner beantragt, sondern mit der PDS. Zu einem SPD/PDS-Antrag kommt es aber noch nicht, zu einem SPD-Grünen-Antrag nicht mehr. So stimmen PDS und SPD einfach dem Grünen-Antrag gegen die Bewerbung zu. Damit werden die Anträge von CDU und FDP für die Bewerbung niedergestimmt, klarer Fall. Draußen sagt Vizepräsident Christoph Stölzl (CDU): "Man wird nicht durch Sparen reich, sondern durch Wertschöpfung." Böger findet: "Da ist was dran."

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