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Am Tatort. Gemeindemitglieder und Anwohner versammelten sich nach dem Brandanschlag am Sonntag

© REUTERS

Update

Koca Sinan Moschee in Berlin-Reinickendorf: Die Lage nach dem Brandanschlag

Nach dem Anschlag auf eine Moschee ist der Schock in Reinickendorf groß. Und es gibt die Furcht vor weiterer Gewalt in Berlin.

Der Gemeinderaum der Koca Sinan Moschee in Reinickendorf ist völlig zerstört: Die Fensterscheibe eingeschlagen, die Wände verrußt. Auf dem Boden verstreut liegen Papierfetzen und Cola-Dosen. Vom Fernseher, der an der Wand hing, ist nur noch die äußerste Hülle zu sehen. Draußen auf der Straße haben sich 200 bis 300 Menschen versammelt. Viele haben sich türkische Fahnen umgehängt. Ein bisschen sieht es nach Volksfest aus, wenn da nicht der beißende Brandgeruch und der Löschschaum im Rinnstein wären.

In der Nacht von Sonnabend auf Sonntag ging gegen 2:05 der Notruf bei der Feuerwehr ein. Anwohner hatten beobachtet, dass drei Jugendliche eine Fensterscheibe des Moscheevereins in der Kühleweinstraße einwarfen und Richtung Letteplatz wegrannten. Die Anwohner bemerkten einen Brand, alarmierten Polizei und Feuerwehr. Gegen 3:30 Uhr war der Brand unter Kontrolle, 48 Einsatzkräfte waren vor Ort. Aber die Gebetsräume wurden vollständig zerstört. Verletzt wurde bei dem Brand niemand.

Am Morgen danach um halb elf meldet die Polizei, dass sie von einem politisch motivierten Brandanschlag ausgeht und der Staatsschutz in alle Richtungen ermittelt. Zu diesem Zeitpunkt herrscht vor der Koca Sinan Moschee schon reger Betrieb. Die Nachricht vom Feuer hat sich rasch bei den Mitgliedern des Moscheevereins herumgesprochen.

Er gehört zum Moscheeverband Ditib, der vom türkischen Außenministerium kontrolliert wird. Immer wieder schauen die Gläubigen auf den völlig verkohlten Hintereingang des Gebäudes. „Wir verurteilen diesen Brandanschlag in Reinickendorf“, hat jemand auf eine braune Pappe geschrieben. Daneben die türkische und die deutsche Fahne. Hinter den Anschlägen stecke die PKK, mutmaßen viele. Von Aufrufen zur Gewalt auf kurdischen Internetseiten ist die Rede.

Ein Anschlag aus dem Nichts?

Weil die Moschee zerstört ist, wird gegenüber auf einem Supermarktparkplatz gebetet. „Wir werden die Moschee in Windeseile wieder aufbauen“, sagt Adnan Metin, der den Verein vor 13 Jahren mitgegründet hat. „Und zwar schöner als zuvor.“ Konflikte habe es hier bisher nie gegeben. Reinickendorf sei eine friedliche Wohngegend, der Anschlag komme aus dem Nichts. Metin will sich nicht einschüchtern lassen. Und doch ist er schockiert. „Wie kann es sein, dass jemand ein Gotteshaus angreift?“

Auf 60.000 Euro schätzt Ahmet Güldag, der zweite Vorsitzende des Moscheevereins, den Schaden. Wie es jetzt weitergeht, weiß er noch nicht. Aber Güldag hofft auf Hilfe von der Ditib, von Kirchen und Nachbarn. An diesem Sonntag sind die Gemeindemitglieder jedenfalls nicht allein.

Der CDU-Innenpolitiker Burkard Dregger, der hier seinen Wahlkreis hat, ist schon seit den frühen Morgenstunden da. Ebenso der türkische Generalkonsul Mustafa Çelik und Süleyman Kücük, der stellvertretende Landesvorsitzende der Ditib. Am Nachmittag kommen auch der Reinickendorfer Bürgermeister Frank Balzer (CDU) und Innensenator Andreas Geisel (SPD).

Er wolle dieser friedlichen Gemeinde seine Solidarität zeigen, sagt Geisel vor dem verkohlten Eingang des Gemeinderaums. Und zur Besonnenheit aufrufen. Dass die meisten Anwesenden bereits von kurdischen Tätern ausgehen, gefällt ihm nicht. „Vorschnelle Schlüsse helfen niemandem. Ich möchte nicht, dass diese internationalen Konflikte jetzt in Berlin ausgetragen werden.“

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) verurteilt die Tat scharf. „Das ist nicht hinnehmbar“, lässt der SPD-Politiker erklären. Der Moscheeverband Ditib forderte am Sonntag, Staat und Sicherheitsbehörden müssten den Schutz von Moscheen gewährleisten. Laut Ditib war es bundesweit der 18. Angriff auf eine Moschee in einem Zeitraum von knapp zwei Monaten.

Es gibt noch kein Bekennerschreiben

Vor wenigen Tagen war in Schöneberg ein Transporter angezündet worden, der einen Aufkleber des türkischen Verbands „Ditib“ trug – zu diesem Zeitpunkt hatte die jüngste türkische Offensive auf die Stadt Afrin noch gar nicht begonnen. Im Reinickendorfer Fall wird derzeit ein islamfeindlicher Anschlag von Rechtsextremisten ausgeschlossen.

Dem Vernehmen nach steht der Staatsschutz in intensivem Kontakt mit den Landeskriminalämtern der anderen Bundesländer. Anders als zum Anschlag auf einen türkischen Kulturverein im sauerländischen Meschede gibt es zum Reinickendorfer Anschlag noch keine Selbstbezichtigung im Internet.

Moscheen werden in Berlin – anders als Synagogen – nicht dauerhaft von der Polizei bewacht. Dazu gibt es schlicht zu viele. Größere Moscheen wie die Sehitlik in Neukölln werden regelmäßig von Streifenwagen des Objektschutzes der Polizei angefahren. Angesichts der Aufrufe zu Gewalt wird erwartet, dass die Polizei die Sicherheitsvorkehrungen vor türkischen Objekten am Montag verstärken wird. Einige Adressen werden im Internet als mögliche Anschlagsziele propagiert.

Am Sonntagnachmittag zogen mehrere hundert Menschen vom Kreuzberger Oranienplatz nach Mitte. Die von starken Polizeikräften begleitete Demo stand unter dem Motto „Schluss mit dem Angriff auf Afrin und Freiheit für Öcalan“.

Nach Auskunft der Polizei warfen Demonstranten Steine, nachdem aus einem Haus heraus eine türkische Flagge gezeigt worden sei. Sieben Polizisten seien dabei leicht verletzt worden, acht Personen wurden festgenommen.

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