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Berlin: Kochduell: Wenn Köche zu sehr morden

"An die Töpfe, fertig, los!", feuert Moderatorin Britta von Lojewski allwerktäglich bei Vox die Teilnehmer der schnellen Koch-Show an.

"An die Töpfe, fertig, los!", feuert Moderatorin Britta von Lojewski allwerktäglich bei Vox die Teilnehmer der schnellen Koch-Show an. Die Spielregel: Zwei Profis haben eine Viertelstunde Zeit, um zu verarbeiten, was zwei Kandidaten aus dem Publikum für maximal 15 Mark eingekauft haben. Einer von ihnen ist Andreas "Studi" Studer, besonderes Kennzeichen: tomatenrote Mütze. Seit über drei Jahren gehört der gebürtige Schweizer und begeisterte Wahl-Berliner zu den elf "Kochduell"-Köchen. Mittlerweile hat er fast 200 Sendungen bestritten und gibt zu, dass mit der Zeit natürlich eine gewisse Routine ins Spiel komme, aber "die hört spätestens dann auf, wenn die Tüte ausgeschüttet wird." Absolut nichts, schwört er, wüssten die Köche vorher über deren Inhalt. Sicher sei lediglich, dass in ihr stets eine Zutat lauere, die nicht zu den anderen passt und manchmal das spontane Bedürfnis auslöse, sie unauffällig hinter den Kulissen verschwinden zu lassen. Doch dies verbieten die Verträge der TV-Köche, und es läge ohnehin nicht in Studers Naturell: "Das Schöne ist ja, dass man trotzdem irgendwas aus den Sachen machen muss - vor sechs Kameras, zusammen mit Kandidaten, die oft wirklich keine Ahnung vom Kochen haben, mit einer Moderatorin, die ständig auf einen einquatscht, und unter Zeitdruck."

Das sind harte Bedingungen. Tauschen, meint Studer deshalb, möchten nur die wenigsten mit den Fernsehköchen, die mehr auf Einschaltquoten denn auf Sterne schielen und Improvisation dem Diktat durch Speisekarten vorziehen. "Mir haben auch schon Leute gesagt, ich solle mal ein Restaurant eröffnen, in das jeder Gast seine eigene Tüte mitbringt." Zweifellos eine Marktlücke, doch keine, die er schließen möchte. Zwar steht auch die Eröffnung eines eigenen Restaurants auf dem Wunschzettel für seine berufliche Zukunft, doch vorerst locken andere Projekte, allen voran eine eigene Kochschule. "KK" wird er sie nennen - obwohl hinter diesem Kürzel eine höchst unangenehme Erinnerung steckt: "Wir haben vor Fuerteventura auf einem Einmaster für "Fit for fun-TV" gedreht, und ich war so dermaßen seekrank, dass ich nur noch Kotz-Koch hieß."

Dieses KK-Kapitel soll nun durch ein neues, rundum schöneres namens "Koch Klub" ersetzt werden. Studi selbst, so seine Idee, wird nur moderieren und das Kochen internationalen Kollegen überlassen, die bis zu zwölf Kurs-Teilnehmer durch die hohe Kunst der hohen Küche lotsen. "Am wichtigsten ist mir bei der Sache, dass die Leute über die Liebe zum Kochen zusammen kommen und hinterher sagen, es wäre kein x-beliebiger Kochkurs, sondern etwas Besonderes gewesen." Dazu dürfen auch die Räume beitragen: In Mitte sollten sie sein, und wenn sie überdies ein schönes Speisezimmer mit Blick auf den Gendarmenmarkt hätten, wäre Berlin um eine Attraktion reicher und Studer um einen Wunsch ärmer.

Doch diese Lücke wird der Multikreative durch andere Projekte problemlos füllen. Derzeit textet und recherchiert er für sein drittes Kochbuch, "Natürlich kochen", mit dem er seine Auffassung deutlich machen will, dass leckere, qualitativ hochwertige Gerichte weder teuer noch kompliziert noch mit Zutaten aus Bio-Läden gespickt sein müssen. Zudem engagiert er sich bei "Color Kingdom", einer Stiftung, die sich für sexuell missbrauchte Kinder einsetzt, und bereitet eine mehrteilige TV-Dokumentation über seine Schweizer Heimat vor. Der Pilotfilm zeigt das Berner Oberland, wo Studer als Sohn einer Köchin aufwuchs. Er begann zunächst, in heimischen Töpfen zu rühren und beschloss schließlich, nicht Geschichte zu studieren oder Grafiker zu werden, sondern Koch - und hat nun von allem etwas. "Ich kann mich ein bisschen selbst verwirklichen", schwärmt er, "kann das Faible für Grafik bei der Gestaltung meiner Kochbücher einbringen und hier in Berlin Geschichte hautnah erleben."

Längst beschränkt sich Andreas Studer, der Chancen ebenso konsequent ausnutzt wie er Fertiggerichte verabscheut, nicht mehr nur aufs Erleben, sondern verquirlt das Erlebte mit Erdachtem und Historischem zu eigenen Geschichten. Eine ist im Gegensatz zu seinen Kochbüchern nicht als Anleitung gedacht: "Es wird eine gute, klassische Agenten-Geschichte, die an meinen Wirkungsstätten spielt, also in den USA, Mexiko, der Schweiz und ganz viel in Berlin. Ein smarter Agent, der in der Ich-Form erzählt und in seinem früheren Leben mal Koch war, spielt die Hauptrolle und ein paar Tote gibt es natürlich auch. Aber es wird nicht wie blöd gemeuchelt und gemordet." Viel wichtiger als eine breite Blutspur sei ihm der Kontext. "Wenn ich zum Beispiel vom Jahr 1994 erzähle, dann habe ich einfach den Anspruch, genau zu recherchieren, was damals die Republik erschüttert hat und was gerade politisch lief."

Gewürzt wird die Handlung mit "einer großen Portion Ironie oder auch Zynismus und viel verstecktem Humor. Das schönste Kompliment wäre wirklich, wenn die Leser denken, dass ein Engländer das Buch geschrieben haben könnte." Doch bevor es beim Leser Eindrücke hinterlassen kann, muss das Manuskript zunächst seinen Autor überzeugen - und dann einen Verleger. "Vielleicht ist es für mich etwas einfacher als für völlig unbekannte Autoren, den zu finden", hofft er, schließt aber auch nicht aus, dass er eben deshalb besser als jene sein muss.

Maren Sauer

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