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Berlin: „König der Poststelle“ muss drei Jahre in Haft 43-Jähriger unterschlug im Bundestag 780 000 Euro

Kontrollen gab es nicht – das milderte die Strafe.

Der Beamte aus der Poststelle des Bundestages, der jahrelang in seine eigene Tasche gewirtschaftet hatte, war sofort einverstanden mit dem Urteil. Drei Jahre Haft wegen Untreue in 246 Fällen mit einem Gesamtschaden von 780 000 Euro verhängte das Landgericht. Der 43-jährige Klaus B., derzeit bei halbierten Bezügen suspendiert, verließ den Saal mit einem zufriedenen Lächeln. Er bleibt bis zur Ladung zum Strafantritt frei. Der mitangeklagte Ex-Postbote Tino L. (44) erhielt zwei Jahre Haft auf Bewährung.

„Es ist schwer zu begreifen, mit welchem Selbstverständnis es so lange laufen konnte“, sagte der Vorsitzende Richter. Die Kontrollen seien nicht ausreichend gewesen, man habe es dem Beamten einfach gemacht, wurde strafmildernd gewertet. Klaus B. war nicht Chef, aber doch der Macher in der Poststelle. Er kannte sich aus, befasste sich mit Neuerungen, an ihn wandten sich auch die Vorgesetzten. Er galt als „König der Poststelle“. Man traute ihm nicht zu, dass er in die Kasse greifen würde. Der Beamte im einfachen Dienst konnte täglich sogar über bis zu 10 000 Euro verfügen – obwohl er dazu überhaupt nicht befugt war.

Der Schwindel lief über fingierte Nachnahmesendungen und begann bereits vor zehn Jahren. Klaus B., der mit dem Regierungsumzug von Bonn nach Berlin kam, packte wertloses Zeug in einen Karton und schickte den Müll per Nachnahme an den Bundestag – adressiert an sich selbst. Er schrieb eine Fantasierechnung und überwies sich das Geld – Beträge bis zu 3500 Euro – auf sein Konto. Bald durchschaute Tino L., der damals als Zusteller der Deutschen Post regelmäßig ins Hohe Haus kam, die dreiste Tour. Statt den Beamten auffliegen zu lassen, wollte er „vom Kuchen etwas abbekommen“.

Sie machten seit 2002 gemeinsame Sache, allerdings sind die Taten vor 2007 zumindest strafrechtlich verjährt. Sie „vereinfachten“ sich ihre Masche und verzichteten auf die Pakete, die B. mit Papier oder Flaschen gefüllt hatte. L. scannte nur noch Paketmarken, er kopierte schließlich sogar die Postcard, die für Porto- oder Nachnahmegebühren oder den Kauf von Briefmarken für die Büros der Vizepräsidenten gedacht war. „Eigentlich kontrolliert keiner“, beruhigte B. den Komplizen. Sein Chef habe „keine Ahnung oder keine Lust“, behauptete der Beamte. Was sie abzweigten, bewege sich im Rahmen eines „Trinkgeldes“.

Im Durchschnitt waren es 6800 Euro im Monat, die sich der Beamte zu seinen 2200 Euro netto zuschusterte. „Er hatte die Haltung entwickelt, die öffentliche Kasse könne es vertragen“, sagte der Vorsitzende Richter. Und im Arbeitsumfeld von B. habe damals eine „gewisse Betriebsblindheit“ geherrscht. Moderat klang auch die Einschätzung des Gerichts hinsichtlich eines verursachten Imageschadens. Durch die Taten „wurde das Ansehen des Bundestages ein bisschen angekratzt“, hieß es im Urteil. Der Schwindel fiel erst Ende 2011 mit einer neuen Chefin auf.

Oberamtsmeister Klaus B. hatte seit März 2007 über 400 000 Euro eingesteckt, der Ex-Postbote 371 000 Euro. B. will alles für Lebensunterhalt, Foto-Workshops, einen Privattrainer verjubelt haben. Die Staatsanwältin dagegen schloss nicht aus, dass er Geld gebunkert hat. Tino L. hatte 298 000 Euro „gespart“. Fest steht: Nach dem Prozess wird – wie gesetzlich bei Verurteilung eines Beamten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr vorgesehen – für Klaus B. die Entlassung aus dem Dienst folgen. Bislang sei aber „dienstrechtlich noch nichts passiert, nur die Halbierung der Bezüge“, sagte der Beamte, der von Februar bis Juni in U-Haft saß. Kerstin Gehrke

Kerstin Gehrke

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