zum Hauptinhalt

Berlin: Königin Luises Liebling

Das Sommerschlösschen Paretz ist wieder präsentabel. Eine Millionenspende machte es möglich

Lange Zeit sah sie wirklich nicht aus wie ein Schloss: Der rigorose Umbau der Sommerresidenz von Königin Luise und ihrem Gemahl König Friedrich Wilhelm III. zu einer Bauernhochschule nach 1945 hatte jedes Detail verändert. Vom königlichen Landsitz war nicht mehr übrig als ein hässliches Bürogebäude mit typischem DDR-Grauputz. Kaum ein anderes Schloss in Ostdeutschland war so seiner Schönheit beraubt worden wie Paretz.

„Das erst nach längerem Suchen als Schloss ausgemachte Gebäude glich eher einer Kaserne“, schrieb der Buchhändler und heutige Kastellan des Schlosses, Matthias Marr, nach seinem ersten Besuch in Paretz Anfang der achtziger Jahre in sein Tagebauch. Nachdem auch die Kirche verschlossen war, wollte er eigentlich schnell umkehren. Nichts erinnerte hier an die von ihm verehrte Luise. Eine Biografie der 1810 schon im Alter von 34 Jahren verstorbenen Preußenkönigin hatte er, der Pfarrerssohn, zufällig auf einem Dachboden gefunden und war seitdem von ihr fasziniert gewesen.

Zum Glück traf Marr an diesem Tag aber auf den inzwischen verstorbenen Pfarrer Heinz Koch. Er zeigte dem Gast die Königsloge in der Kirche und spazierte mit ihm durch das vom Architekten David Gilly entworfene Dorf mit Gutsanlage, Wohnhäusern, Scheunen und vorbei am „Schloss“ von 1796. Von diesem Zeitpunkt an konnte Matthias Marr, heute 55, von Paretz nicht mehr lassen. Er sammelte Informationen über das Königspaar und dessen glückliche Zeit im Havelland, bot Führungen an, verkaufte historische Postkarten und warb bei allen möglichen Gelegenheiten für den Wiederaufbau des Schlosses. Das war gar nicht so einfach wie bei anderen einstigen königlichen Anwesen außerhalb von Berlin und Potsdam – etwa in Oranienburg, Caputh und Königs Wusterhausen. Zu ihnen hatte sich die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten nach der Wende frühzeitig bekannt.

Doch neben dem unermüdlichen Hobbyhistoriker Marr hatte Paretz das Glück, auf das große Interesse einer anderen tatendurstigen Person zu treffen: Ruth Cornelsen, Witwe des 1989 verstorbenen Verlagsgründers Franz Cornelsen, verliebte sich in den kleinen Ort. 1998 und 1999 hatte ihre Kulturstiftung rund 2,3 Millionen Mark für das in der näheren Potsdamer Umgebung gelegene Schloss Caputh gespendet. Für Paretz aber würde diese Summe nicht ausreichen, um das entstellte Antlitz zu reparieren. Das merkte Ruth Cornelsen schon bei der ersten Stippvisite. Die Grand Dame des Berliner Stiftungswesens bot dem Land Brandenburg als Eigentümer des Schlosses einen Deal an: Ihre Stiftung würde 1,5 Millionen Mark für die Wiederherstellung der ausgelagerten kostbaren Tapeten mit exotischen Pflanzenmotiven, Vogeldarstellungen und Landschaftsbildern bezahlen, wenn sich Brandenburg seinerseits um die Außenfassade und den Innenausbau kümmern würde. „Ich wollte im besten Sinne des Wortes anstiften“, sagte Ruth Cornelsen.

Das Angebot konnte die Potsdamer Landesregierung nicht ausschlagen, und so begann 1998 die rund vier Jahre dauernde Renaissance des Schlosses. Sie kostete einschließlich der Arbeiten im Park bislang rund viereinhalb Millionen Euro. Noch sind nicht alle Arbeiten abgeschlossen. Kastellan Marr bereitet im ehemaligen Reitstall für diesen Herbst die Eröffnung eines Kutschenmuseums vor.

Nicht nur zu diesem Anlass könnte Marr aus dem Stegreif ein großes Festprogramm zusammenstellen. Kein Detail der Aufenthalte des Königspaares in den sechs Sommerwochen der Jahre 1797 bis 1805 scheint ihm verborgen geblieben zu sein. So habe ausgerechnet der 10-jährige Kronprinz 1805 mit einer Haselnussrute im Park zwischen Schloss und Kirche die Stelle für den Bau eines Brunnens gefunden.

In Paretz und nicht etwa in Berlin oder Potsdam erhielt der Wunderknabe den Stern des Schwarzen Adlerordens als Zeichen der Aufnahme in die preußische Armee überreicht. Die Dorfjugend diente ihm zum Üben der Kommandos.

Überliefert ist nicht zuletzt eine Begegnung von König Friedrich Wilhelm III. mit einem Jungen vor dem Schloss. Auf die Frage, ob er denn schon einmal eine Ananas gegessen habe, antwortete der Junge: „Nee, Majestät.“ Ein Stück Ananas wurde gereicht. Nach einer Weile fragte ihn der König, was er denn herausschmecke. Die Antwort löste ringsum Heiterkeit aus: „Wurst!“ Auch der König zeigte sich amüsiert und meinte: „So trägt jeder seinen Maßstab in sich.“ Keine Legende ist dagegen die Schönheit von Königin Luise. Von ihr künden im Schloss zahlreiche Plastiken und Gemälde. Als sie starb, hinterließ sie sieben Kinder, darunter Wilhelm, den späteren Kaiser.

1805 endeten die idyllischen Zeiten in Paretz. Viele Jahrzehnte später erst sollte Paretz eine weitere besondere Persönlichkeit beherbergen. Prinz Heinrich von Preußen, der Bruder Wilhelms II., liebte das Anwesen und dessen Umgebung und hielt sich in den Jahren von 1888 bis 1929 oft im Dorf auf. Zwei Erfindungen machten Prinz Heinrich berühmt: der Scheibenwischer und die eigentümliche Schirmmütze, die seinen Namen erhielt. Mit ihr auf dem Kopf geht auch Kastellan Marr durch sein „atemberaubendes Paretz“ am liebsten spazieren.

DAS DOMIZIL

Der Sommersitz entstand 1797 für das Königspaar in nur wenigen Monaten nach einem Plan von David Gilly.

In herrlicher Landschaft konnten Friedrich Wilhelm III. und Luise hier ihre Sommer verleben.

So wie dieser Stuck an der Parkseite des Schlosses waren zwischen 1945 und 1998 alle Details unter dem Grauputz der Bauernschule verschwunden.

Zur Startseite