zum Hauptinhalt
Christoph Weingart ist Sprecher der Initiative "ABC Rocks erhalten". Hier steht er vor dem ABC-Rocks, wo er seine halbe Jugend verbracht hat.

© Georg Moritz

Köpenicker Jugendliebe: Jugendclub in Köpenick muss schließen

Die Puhdys sind empört, Knorkator auch. Und noch viel mehr Menschen setzen sich für die Erhaltung ihres Clubs ABC-Rocks ein. Doch die Chancen stehen schlecht, dass der Jugendclub nicht schließen muss

Von Marius Gerads

Schon aus der Ferne ist deutlich erkennbar, dass hier etwas nicht stimmt. Ein großes, buntes Protestplakat hängt über dem Eingang des Jugendclubs in Köpenick. „ABC-Rocks erhalten“ steht darüber. Hier nahe dem S-Bahnhof Hirschgarten, wo die Berliner Bands Knorkator, City, Puhdys und Bell Book+Candle ihre musikalischen Anfänge nahmen, werden bald die Lichter ausgehen. Der Club, der Generationen von Jugendlichen seit mehr als 60 Jahren ein zweites Zuhause war, soll Ende des Jahres geschlossen werden.

Dem Bezirk Treptow-Köpenick fehlt das Geld, zu teuer sei der Jugendclub in der Hirschgartenstraße, heißt es. „Das ABC Rocks kostet im Jahr mit 270 000 Euro, so viel wie zwei Jugendeinrichtungen zusammen“, sagt Jugendstadtrat Gernot Klemm (Linke). Seiner Aussage zufolge gibt es bei den Zuweisungen der Senatsjugendverwaltung ein Defizit von 1,2 Millionen Euro. Zwar sei schon ein Teil eingespart worden, aber es fehlten für das kommende Jahr noch weitere 700 000 Euro. Die Bezirksverordnetenversammlung beschloss deswegen, den traditionsreichen Jugendclub zu schließen. „Es tut mir im Herzen weh, das ABC zu schließen“, sagt Klemm. „Ich war selbst in meiner Jugend öfter da.“

In den Räumen des Jugendclubs hängt der Muff einer bewegten Geschichte. Die Sofas in der „Lounge“ im vorderen Bereich des Clubs, wo die Jugendlichen sitzen und Fernsehen können, sind durchgesessen, die Farben ausgeblichen. In den Proberäumen sind die Eierkartons, die den Lärm vermindern sollen, schon ziemlich ausgefranst. Die Lampe über dem Billardtisch sieht so aus, als hänge sie hier seit Eröffnung des Clubs in den 50er Jahren. Es gibt Räume für Ballettunterricht und einen Veranstaltungssaal, in dem nicht nur Konzerte stattfinden, sondern auch einmal im Monat eine Disko für Menschen mit Behinderungen.

Die Puhdys, Berlins bekannteste Ost-Rock-Band, hatten ihre Anfänge im ABC Rocks
Die Puhdys, Berlins bekannteste Ost-Rock-Band, hatten ihre Anfänge im ABC Rocks

© dpa

Christoph Weingart kann nicht durch das ABC gehen, ohne alle paar Meter stehen zu bleiben und irgendwen zu begrüßen. „Wer ins ABC Rocks geht, ist Teil einer Familie“, sagt Weingart. Er ist der Sprecher von „ABC Rocks erhalten“, einer Initiative, die Nutzer gegründet haben, um die Schließung zu verhindern. Mit seiner Band probt Weingart regelmäßig im Keller. „Ich komme in das ABC, seitdem ich 13 Jahre alt bin“, sagt Weingart, als sein Blick durch den riesigen Garten schweift, in dem regelmäßig Grillfeste stattfinden. „Ich habe wichtige Teile meiner Jugend hier verbracht“, sagt er und fügt lächelnd hinzu: „Die Grundlage vieler Köpenicker Ehen wurde hier gelegt, die heute noch zusammen sind.“ Dass es diese wichtige Institution des Bezirks nun bald nicht mehr geben soll, will Weingart noch immer nicht glauben.

Kaum noch Hoffnung

Die Initiative „ABC-Rocks erhalten“ versucht alles, um die Schließung zu verhindern. Grillfeste und Konzerte haben die Nutzer organisiert, um Geld zu sammeln, selbst die Puhdys und Knorkator setzen sich für die Erhaltung ein. Teile der Puhdys sind gemeinsam mit Bell Book+Candle aufgetreten. Zusammen mit der größten Fangruppe des Köpenicker Fußballklubs 1. FC Union – die Ultras nennen sich Wuhlesyndikat – haben sie demonstriert. Unabhängig von „ABC Rocks erhalten“ haben vor zwei Wochen zwei junge Männer mit Maleranzügen und Sonnenbrillen den Sitzungssaal der Bezirksverordnetenversammlung gestürmt, mit Konfetti geworfen und Flugblätter gegen die Schließung verteilt.

Bisher haben jedoch alle Vorschläge der Initiatoren nicht zum Umdenken des Bezirks geführt. Einen Verein wollten sie gründen, Teile des Hauses übernehmen, Strom und Wasser selbst bezahlen. Das sei nicht ausreichend, hieß es vonseiten des Bezirks. Auch Christoph Weingart weiß, dass der Jugendclub eigentlich zu teuer für den Bezirk ist. „Das ist das Ergebnis jahrelanger Misswirtschaft des Landes Berlin.“ Selbst er und die Mitstreiter glauben nicht mehr daran, dass sie die Schließung noch abwenden können. Jugendstadtrat Klemm will zumindest allen Nutzern andere Räumlichkeiten als Alternative zum ABC-Rocks anbieten. Wie genau das aussehen kann, kann er derzeit nicht sagen. Es sei denn, es findet sich ein freier Träger, der den Jugendclub übernimmt.

Knorkator würde das ABC Rocks kaufen, wenn sie das Geld dazu hätten.
Knorkator würde das ABC Rocks kaufen, wenn sie das Geld dazu hätten.

© picture alliance / dpa

Das ist derzeit die letzte Hoffnung des ABC Rocks. Bisher hat sich allerdings keiner gefunden. Und auch Klemm gibt sich ernüchtert: „Ich will keine Hoffnungen schüren, ich glaube nicht, dass sich noch ein Träger findet.“

Auch mit den prominenten Unterstützern ist aus finanzieller Sicht nicht zu rechnen. Knorkator-Keyboarder Alf Ator würde gern helfen, sagt jedoch: „Meine Ersparnisse reichen momentan leider nicht ganz. Wenn es Ende 2014 noch nicht verkauft ist, schlage ich zu.“ Denn: „Ich glaube nicht, dass so etwas in Köpenick noch mal entsteht.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false