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Berlin: "Körperwelten": Ab in die Kiste

Die meisten Kulturen gönnen den Körpern ihrer Toten die ewige Ruhe (oder befreien die Seele durch Verbrennung). Für die Toten der "Körperwelten" aber heißt es schon wieder: umziehen!

Die meisten Kulturen gönnen den Körpern ihrer Toten die ewige Ruhe (oder befreien die Seele durch Verbrennung). Für die Toten der "Körperwelten" aber heißt es schon wieder: umziehen! Die Ausstellung im Postbahnhof am Ostbahnhof wurde am Montag abgebaut; in schwarze Kisten verpackt bringt die Spedition die präparierten Leichen und -teile nach Brüssel, die nächste Station.

Während im Erdgeschoss Handwerker die Kassen, die Souvenirstände, die Lichtinstallation abmontieren, während Computer, Drucker und Telefone der Büros in Kartons verschwinden, sind in der Ausstellungshalle im ersten Stock Rudolf Thiele, ein Mitarbeiter des Ausstellungsmachers Gunther von Hagens, und ein Dutzend Helfer mit den "Plastinaten" zugange: den mit Kunststoff haltbar gemachten menschlichen Körpern und Organen. In Klarsichtfolie gewickelt, erinnern sie ein wenig an Mumien. Die Ganzkörper-Plastinate. Die Organe, Fußskelette, Unterschenkel, die einer herbeiträgt, um sie in eine Kiste zu packen, sehen aus wie Organe, Fußskelette, Unterschenkel.

Nein, nun gerade dasselbe wie Möbel einpacken sei das hier nicht, sagt Thiele. Es sei schon ein schonenderer Umgang mit den 200 Objekten - darunter 22 Ganzkörper-Plastinate - nötig. Er packt Einzelstücke dicht an dicht in eine Schublade eines großen schwarzen Holzkastens mit Stahlkanten. Ein so genanntes "Flight-Case", ähnlich jenen, wie sie auch Pop-Gruppen auf Tournee für ihr elektrisches Gerät verwenden. Sagt Thiele. Pop-Stars - kein schlechter Vergleich für diese anatomischen Anschauungsobjekte, die in den letzten sechseinhalb Monaten von immerhin knapp 1,4 Millionen Menschen betrachtet worden sind.

Jetzt nehmen vier Mann behutsam einen der Körper, tragen ihn waagerecht zu einer der mit Schaumstoff ausgeschlagenen Kisten und senken ihn hinein. Fast unmöglich, in dieser jetzt nicht einen "Sarg" zu sehen. Deckel drauf - und schon ist die Assoziation wieder vorbei. Ein schwarzer Kasten, nichts weiter. Einen in Scheiben geschnittenen Toten legen sie wieder zusammen, wenn er verpackt wird; ein zum Teil "expandierter", bei dem zur Veranschaulichung einzelne Organe auseinandergerückt wurden, wird aufrecht, von Schaumstoffstäben gestützt und von -kissen gepuffert, in seinen Kasten gestellt. Auch das Pferd mit dem Reiter wird als ganzes transportiert.

Um vier Uhr am Morgen haben Thiele und seine Mitarbeiter - Angestellte der "Körperwelten" in verschiedensten Funktionen - mit der Arbeit begonnen. Um vier Uhr nachmittags wollten sie fertig sein. Nach sechs Monaten in Brüssel reisen die 24 Kisten weiter nach London, dort werde die Ausstellung ein Jahr zu sehen sein, berichtet Gunther von Hagens, anschließend soll es nach Kanada und die USA gehen. In Berlin habe man drei Millionen Mark Gewinn gemacht. "Das Geld verwenden wir zur Vorfinanzierung der Schau in Brüssel. Erstmals müssen wir unsere Plastinate nicht zur Sicherheit einer Bank verpfänden."

Und von Hagens - mit drei anatomischen Instituten in Heidelberg, Kirgisien und China - plant Weiteres. In Vorbereitung ist "Körperwelten II", die durch Asien touren sollen und in sechs Jahren nach Deutschland kommen. Fernziel ist ein Museum. Bereits über 4000 Menschen hätten verfügt, ihren Körper der Wissenschaft zur Verfügung zu stellen, sagt von Hagens, allein 300 Berliner während der Zeit der Ausstellung hier. Nur rund jeder zehnte werde zwar ganz oder teilweise plastiniert. Dann aber hat sein Körper eine Haltbarkeit von gut 5000 Jahren. "Haltbarkeit"? Nun ja - "Lebensdauer" kann man wohl auch nicht gut sagen.

Holger Wild

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