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Berlins Innensenator Ehrhart Körting.

© Thilo Rückeis

Körting: "Autonome und Neonazis auf demselben brutalen Niveau"

Berlins Innensenator Ehrhart Körting spricht im Interview über den gewalttätigen Schlagabtausch unter Extremisten. Er sagt, die Polizei solle auch NPD-Wahlkämpfer schützen.

Von Frank Jansen

Mutmaßliche Linksextremisten prügeln Funktionäre von NPD und „Pro Deutschland“, dann fliegen Brandsätze auf linke Wohnprojekte. Droht Berlin ein wüster Wahlkampf?

Ich befürchte vor allem, dass bei Extremisten auf jede Aktion eine Gegenaktion folgt. Das gilt auch für Zeiten ohne Wahlkampf. Dieses primitive Volk der Autonomen und Neonazis denkt in Kategorien der Rache. Da bewegen sich beide auf demselben brutalen Niveau. Das beginnt schon damit, dass die Antifa Fotos, Namen und Adressen mutmaßlicher Rechtsextremisten steckbriefartig ins Internet stellt. Neonazis machen das genauso mit Personen, die angeblich oder tatsächlich der linken Szene angehören. Die Polizei wird – wie auch im vergangenen Wahlkampf – bei gefährdeten Wahlständen mehr Präsenz zeigen. Solange die NPD nicht verboten ist, werden Polizeibeamte auch Infostände der NPD schützen.

Die Gewaltbereitschaft scheint in Teilen der linksextremen wie der rechtsextremen Szene weiter zu wachsen.
In beiden Milieus wird ein Teil zunehmend militant. Aber man muss differenzieren. Die Mehrheit der linksextremen Szene lehnt heute nach einer intensiven Debatte aus taktischen Gründen Krawalle wie bei früheren Maifeiertagen ab. Der 1. Mai war in diesem Jahr wie im vergangenen relativ ruhig. Viele Linksextremisten haben erkannt, dass Randale und Brandanschläge der Durchsetzung ihrer politischen Ziele schaden. Doch es gibt kleine Gruppen und Einzeltäter, die akzeptieren diese Grundhaltung nicht und schlagen weiter zu. Da ergibt sich ein paradoxes Bild: Bei der Mehrheit der linken Szene nimmt die Gewaltbereitschaft ab, bei einer Minderheit wächst sie noch. Und in der Szene der Neonazis ist schon seit fünf Jahren zu beobachten, dass die Hemmschwelle sinkt, zielgerichtet Gewalt auszuüben. Vor allem die Autonomen Nationalisten tun sich da hervor. Sie kopieren die linksextremen Autonomen. Das beginnt schon beim äußeren Erscheinungsbild mit schwarzen Kapuzenpullovern. Es waren denn auch Autonome Nationalisten, die im Mai bei dem Aufmarsch am Mehringdamm die Polizei überrannt haben.

Wie sind die militanten linken und rechten Extremisten zu stoppen?
Wir setzen bei öffentlichen Veranstaltungen der linken und rechten Szene ausreichend Polizei auf potenzielle Gewalttäter an. Das hilft in der Regel auch, sieht man vom Krawall am Mehringdamm ab. Auch da war genügend Polizei vorhanden, doch die Beamten im U-Bahnhof wurden von den Neonazis überrumpelt. Daraus kann man nur lernen.

Der polizeiliche Staatsschutz vermutet, dass bei der linksextremen Autozündelei nur wenige Täter am Werk sind. Anfang Juni gab es zwei Festnahmen. Wurden die Richtigen erwischt?
Seitdem zwei Männer festgenommen wurden, waren jedenfalls die Brandanschläge auf Autos in Tiergarten schlagartig beendet. Und seitdem flacht die ganze Serie ab. Das liegt sicherlich auch am Einsatz der Polizei. Jede Nacht sind mehr als 100 Brandstreifen unterwegs. Die Beamten sind zumindest so schnell am Tatort, dass der Schaden eingegrenzt werden kann. Die Täter spüren auch, dass sie sich nicht mehr so frei bewegen können. Außerdem gibt die Mehrheit der linken Szene den Autozündlern keine Rückendeckung. Das war 2009 noch anders. Jetzt gab es zudem nach den Brandanschlägen auf die Polizeistation in Friedrichshain und die Kabelbrücke am Bahnhof Ostkreuz harte Kritik aus der Szene. Auch bei diesen Delikten handelt es sich wohl um Einzeltäter.

Ehrhart Körting (69) ist seit 2001 Berliner Innensenator. Der SPD-Politiker beobachtet mit Sorge, dass die Hemmschwelle zu extremen Gewalttaten bei rechten wie linken Tätern sinkt.

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