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Berlin: Körting bleibt hart: Kein Rettungsschuss auf Befehl

Von Otto Diederichs Normalerweise flammt der politische Streit um die Einführung des so genannten „finalen Rettungsschuss“ für die Berliner Polizei immer wieder nach einem spektakulären Ereignissen auf. So zuletzt nach dem tödlichem Schuss eines Sondereinsatzbeamten auf einen Supermarkt-Räuber in Lichtenberg Ende Januar letzten Jahres oder nach der Geiselnahme eines Kindes in einem U-Bahnhof im Oktober 1998, als ein offensichtlich verwirrter Täter einer Mutter einen Dreijährigen entriss und diesem sein Messer an die Kehle hielt.

Von Otto Diederichs

Normalerweise flammt der politische Streit um die Einführung des so genannten „finalen Rettungsschuss“ für die Berliner Polizei immer wieder nach einem spektakulären Ereignissen auf. So zuletzt nach dem tödlichem Schuss eines Sondereinsatzbeamten auf einen Supermarkt-Räuber in Lichtenberg Ende Januar letzten Jahres oder nach der Geiselnahme eines Kindes in einem U-Bahnhof im Oktober 1998, als ein offensichtlich verwirrter Täter einer Mutter einen Dreijährigen entriss und diesem sein Messer an die Kehle hielt. Ein solcher aktueller Anlass liegt diesmal aber nicht vor. Umso überraschender kam daher jetzt die Ankündigung des rot-roten Senates, den Rettungsschuss im „Gesetz über den unmittelbaren Zwang“ (UZwG) neu regeln zu wollen.

Das hatte der Senat am vergangenen Dienstag beschlossen, am Donnerstag sollte das Abgeordnetenhaus dann die Gesetzesnovelle zur Beratung in die Ausschüsse überweisen, damit sie später schnellstmöglich vom Parlament verabschiedet werden könnte. Doch die Abstimmung ging schief, weil nicht genügend Koalitionsabgeordnete im Plenum waren (siehe Kasten).

Dass Innensenator Ehrhart Körting (SPD) mit der Gesetzesnovelle seine bisherige Position geändert habe, wird von seiner Sprecherin Henrike Morgenstern dementiert. In Stellungnahmen seines Hauses hatte es bis dato geheißen, die geltenden Bestimmungen des Strafgesetzbuches über Notwehr und Nothilfe reichten aus, da Polizeibeamte auch in prekären Situationen als „haftungsrechtliche Amtspersonen“ handelten. Dabei geht es vor allem um Notlagen, in denen Beamte abwägen müssen, ob sie zum Schutze einer Geisel einen Verbrecher töten sollten.

Bei der geplanten Neuregelung soll laut Morgenstern keineswegs das Berliner Polizeigesetz geändert werden. Es gehe vielmehr darum, im „Gesetz über den unmittelbaren Zwang“ (UZwG), das dem Polizeigesetz untergeordnet ist, eine „bisher fehlende Norm“ einzufügen. Zusammengefasst ist sie in einem einzigen ergänzenden Satz, wonach das Recht zum polizeilichen Gebrauch der Schusswaffe in Fällen „der Notwehr und des Notstandes unberührt“ bleibt.

Konkret bedeutet das: Die Normen, nach denen sich sich ein Beamter zum Schuss entscheidet, sind sein Gewissen und seine Einschätzung, wie stark er bedroht ist. Der eingefügte Satz ist allerdings aus Sicht von Kritikern überflüssig, da er ohnehin der geltenden Rechtslage entspricht, wie sie beispielsweise im Polizeigesetz geregelt ist. Der CDU und den Polizeigewerkschaften geht die geplante Änderung deshalb nicht weit genug. Hintergrund dieses Streits ist die Frage, wie weit man der Polizei klare Tötungsbefugnisse zuweist und den Entschluss zum Abdrücken nicht dem einzelnen Beamten und desssen Gewissen überlässt. Die Kritiker fordern einen befohlenen Rettungsschuss, wie er in allen Bundesländern außer in Berlin, Bremen und dem Saarland gesetzlich klar geregelt ist. Danach kann ein Vorgesetzter einen Todesschuss anordnen, dem einzelnen Beamten ist die Last der Entscheidung abgenommen, er darf nicht nur schießen, sondern er muss dies letztlich tun.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) und der Bund Deutscher Polizeibeamter (BDK) fordern eine solche Regelung auch in Berlin schon seit Jahren. Sie argumentieren, die Politik müsse bei diesem schwersten aller Eingriffe „klare Rechtsverhältnisse“ schaffen. Eine Position, die auch die CDU vertritt. Bisher war sie jedochmit ihrer Forderung stets an ihrem sozialdemokratischen Koalitionspartner gescheitert und stimmte folglich auch gestern im Plenum gegen die Novelle.

In Berlin flammte die Diskussion letztmalig im Jahre 1999 auf, als ein Mann am U-Bahnhof Kottbusser Tor einer Frau ihren drei Jahre alten Jungen entrissen und mit dem Messer bedrohte. Der Täter verlangte ein Flugticket in sein Heimatland Algerien und die Freilassung eines inhaftierten Führers der „Islamisch-Algerischen Heilsfront“. Nach sechs Stunden war es der Polizei seinerzeit gelungen, das Kind unblutig zu befreien. Aufgrund der Forderung des damaligen Innensenators Jörg Schönbohm (CDU) nach Einführung einer Todesschuss-Regelung auf Befehl, kam es im März 1999 im Berliner Abgeordnetenhaus in dieser Frage zu einer Expertenanhörung. Fast alle Fachleute waren dabei der Ansicht, dass eine solche Regelung in der Praxis keine realen Vorteile bringe.

Unterstützt wurde die Senatsinnenverwaltung gestern von der innenpolitischen Sprecherin der PDS-Fraktion, Marion Seelig. Aus ihrer Sicht ist die geplante Neuregelung „unschädlich, da sie der Polizei keine Tötungsbefugnisse zuweist“.

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