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Berlin: Kollege fürs Grobe

Ein Roboter aus Berlin soll bei der Fußball-Weltmeisterschaft helfen, Terroranschlägen vorzubeugen

Treffpunkt Olympiastadion. Hier ist Ofro, der Wachroboter der Berliner Firma Robowatch, zu einem Drehtermin verabredet. Ein Filmteam aus den USA, das über neuartige Anti-Terror-Technik berichtet, ist gerade aus Israel angereist. Es will Ofro dabei filmen, wie er rund ums Olympiastadion auf Streife geht, denn das soll er auch im Sommer bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 tun. Der Hauptdarsteller trägt Tarnfarben, kommt auf Ketten herangerollt und hat die Form eines Mini-Panzers. Statt einer Kanone ragt eine Art Ofenrohr aus seinem Buckel hervor. Darin steckt eine Wärmebildkamera, die soeben einen unvorhergesehenen Passanten ausgemacht hat. „Achtung, Hindernis“, sagt Ofro – wie zu sich selbst – und bremst ab.

In modernen Industriebetrieben sind Roboter längst heimisch. An die Fernsehbilder von Roboterarmen, die schnell und präzise um Autokarosserien herumwirbeln, um Nähte zu schweißen, Türgriffe anzubringen oder den Luftdruck zu prüfen, haben wir uns gewöhnt. Bewegliche Sicherheitsroboter sind bisher meist Science-Fiction-Filmen vorbehalten. Doch das soll sich ändern. „Der Bedarf an mobilen Service-Robotern ist enorm, und der Markt wird schon bald so groß sein wie der für Industrieroboter“, sagt Jens Hanke, Erfinder von Ofro und geschäftsführender Gesellschafter der Robowatch GmbH. Die Firma ist ein Beispiel dafür, wie in Berlin dank der hochwertigen Wissenschaftslandschaft technologisch führende Unternehmen heranwachsen können, wenn sich Forscherwissen mit Unternehmergeist paart.

Ofros Einsatz bei der Fußball-WM ist ein Glücksfall für Robowatch, sorgt er doch für weltweites Interesse an der im Jahr 2000 gegründeten Pankower Firma, die im vergangenen Jahr gut fünf Millionen Euro Umsatz und erstmals eine schwarze Null erreichte. Das Großereignis gilt als mögliches Anschlagsziel für Terrorgruppen oder verwirrte Einzeltäter. Neben tausenden Polizisten und Wachdienstleuten sollen auch mehrere Roboter für Sicherheit sorgen, als nächtliche Patrouille oder Warnanlage für atomare, chemische oder biologische Gefahren (ABC-Stoffe).

„Unser Roboter steht derzeit konkurrenzlos da“, sagt Hanke. Das Spezialsystem Ofro detect sei das weltweit erste selbstständig arbeitende mobile System in dieser geringen Größe für die Erkennung von ABC-Stoffen. Die Detektoren sollen bei Spielen im Eingangsbereich des Stadions stationiert sein und frühzeitig Alarm schlagen, falls sich jemand beispielsweise mit gefährlichen Chemikalien nähert. Die Geigerzähler und Spektrometer zur Erkennung von Gefahrenstoffen liefern Sicherheitsspezialisten wie Dräger Safety oder Diehl. Robowatch baut den autonomen fahrbaren Untersatz.

Üblicherweise fährt Ofro nachts auf Werksgeländen großer Firmen herum und geht mit Video- und Wärmekamera sowie Tracking-Software auf Einbrecherjagd. Firmen in ganz Europa nutzen Ofro als Ergänzung der Sicherheitsvorkehrungen, auch mehrere europäische Armeen haben Interesse bekundet. Der Preis für das Standardmodell liegt bei 60 000 Euro, die auch in Chemiefabriken sinnvolle ABC-Ausstattung kostet 30 000 Euro extra. 19 000 Euro kostet der auf Innenräume ausgelegte Roboter Mosro.

„Eine der schwierigsten technischen Herausforderungen war anfangs, dass der Roboter in der Lage sein muss, Bewegungen zu erkennen, während er sich selbst bewegt“, erinnert sich Hanke an die Gründerzeit von Robowatch vor fünf Jahren. „Aber als Mathematiker hatte ich im Kopf schon eine Software-Lösung dafür entwickelt.“

In der Robotik machen häufig Wissenschaftler als Unternehmensgründer Karriere. So war es auch bei einem weiteren Berliner Unternehmen, das in unmittelbarer Nachbarschaft von Robowatch in der Pankower Pankstraße seit 1991 Roboter entwickelt. Amtec Robotics hat sich auf spezielle Antriebselemente für Industrieroboter spezialisiert. Der „Powercube“ ist ein würfelförmiges, mechatronisches Modul, das je nach Bedarf zum Greifen, Schwenken oder Antreiben eingesetzt werden kann. „Der Powercube wird auch im Zukunftsmarkt Serviceroboter eine wichtige Rolle spielen“, sagt Roland Tschakarow, einer der Amtec-Geschäftsführer. Die Firma ist heute Teil der baden-württembergischen Schunk-Gruppe und wurde ursprünglich von Roland und seinem Vater Sawa Tschakarow 1991 gegründet. Der aus Bulgarien stammende Senior hatte bis zu deren Abwicklung an der Akademie der Wissenschaften der DDR geforscht.

Jens Hanke forschte vor der Gründung von Robowatch als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Bioinformatik am Berliner Max-Delbrück-Centrum. Sein Chef war der Wissenschaftler und Bürgerrechtler Jens Reich. „Bei der Genforschung bin ich immer wieder auf ethische Fragen gestoßen, auf die ich keine Antworten hatte“, sagt Hanke. Moralische Bedenken waren auch einer der Gründe für ihn, die Genforschung nach der Promotion im Jahr 2000 aufzugeben. Ein anderes Motiv: „Mich hat es gereizt, mal etwas Praktisches umzusetzen und mir spukte noch der Kindheitstraum mit den Robotern im Kopf herum.“

Mit Fragen der Moral muss sich Jens Hanke noch immer herumschlagen. Arbeitnehmervertreter reagieren oft empört, wenn sie hören, dass der neue Kollege ein Roboter sein soll. Dabei werde der mobile Roboter den Menschen auch in Zukunft nur bei groben, eintönigen oder gefährlichen Arbeiten ersetzen, sagt Hanke. „Außerdem ist die Robotik eine Zukunftsindustrie, die viele neue Arbeitsplätze schaffen wird, wie früher der Personal Computer. Da fürchtete man anfangs auch, er werde die Sekretärinnen arbeitslos machen.“

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