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Müll auf den Straßen - ein Problem.

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Kolumne "Meine Heimat": Müll, Kippen und Hundedreck

Es fängt mit der achtlos weggeworfenen Kippe an und endet bei Hausmüll im Park - in Berlin muss die BSR inzwischen einen neuen Reinigungsturnus einführen. Hatice Akyün fühlt mit den Jungs, die den Dreck wegräumen - Strafen für achtlos weggeworfenen Müll findet sie trotzdem unsinnig.

In München hat es in der vergangenen Woche geschneit. Das weiß ich von einer Freundin. Schnee, mitten im Oktober. Nun habe ich Angst und hoffe, dass der Klimawandel Berlin in diesem Jahr vor der „Ich breche mir die Knochen wegen ungeräumter Straßen“-Saison verschont. Dabei können die Jungs von der BSR nichts dafür, mangelt es doch nicht an Willen, sondern an Personal. Überhaupt neigen wir Bürger dazu, uns über vermüllte Gehwege und herumliegenden Abfall in den Grünanlagen aufzuregen, aber ignorieren das Verursacherprinzip.

Diese Gedanken kamen mir, als ich las, dass die BSR zwei neue Reinigungsklassen einführen will. Sie heißen 1 Plus und 2 Plus, mit bis zu zehn Mal Straßenreinigung pro Woche. Dass unsere Stadt in vier Klassen eingeteilt war – von sieben Mal bis ein Mal die Woche – war mir bislang unbekannt. Gut, es steckt eine gewisse Logik im neuen System. Wenn ich Besuch habe, putze ich auch viel öfter das Bad, die Küche und das Kinderzimmer. Dafür darf ich mein Schlafzimmer ruhig einmal übersehen, und den dunklen Flur muss ich nur einmal kurz feucht durchwischen. Zwei kleine Unterschiede gibt es allerdings zwischen meinem und dem Reinigungsprinzip der Stadt: Erstens fallen bei meinem Putzplan keine Gebühren an und zweitens sind Verursacher und Entsorger bei mir zu Hause identisch.

Aufschlag für die hippe Umgebung?

Ich habe mich deshalb gefragt, ob ich als Innenstadtbewohnerin dafür haftbar gemacht werden kann, dass der halbe Planet diesen Teil der Stadt besucht? Oder ob das der Aufschlag dafür ist, in einer hippen Umgebung residieren zu dürfen? Nachvollziehen kann ich, dass die Kosten für jene Abfälle, die im Umfeld der Konsumtempel anfallen, denen aufgebrummt werden, die finanziell davon profitieren.

Mir fiel eine Geschichte aus meiner Jugend ein. Als Teenager hatten wir heimlich im Garten gequalmt, kein Aschenbecher weit und breit, weshalb wir die Kippen in eine leere Mineralwasserflasche fallen ließen. Mein Vater erwischte uns. Erstaunlicherweise gab es keine Standpauke wegen des Nikotinmissbrauches, sondern wegen der Sprudelflasche. Er erklärte uns, dass eine Frau am Fließband diese Flaschen nach Rückgabe aussortieren müsse und wir dieser Frau unnötige Arbeit machten.

Man muss dem Verpackungswahn den Kampf ansagen

Worauf ich hinauswill ist, dass selbst ich, die versucht, einigermaßen ökologisch zu leben, jede Woche einen gelben Sack an sogenannten Wertstoffen verursacht. Man muss endlich anfangen, dem Verpackungswahn den Kampf anzusagen. Und dann sollte sich jeder fragen, ob er selbst scharf darauf wäre, den Müll, den andere einfach fallen lassen, für kleines Gehalt wieder einzusammeln. Das fängt mit der achtlos weggeworfenen Kippe an und endet bei Hausmüll im Park. In Singapur kostet die weggeworfene Kippe 600 Euro Strafe, in New York die liegen gelassene Hundekacke 150 Dollar. Diese Art von Öko-Polizeistaat finde ich grauselig. Aber das Bewusstsein, für seinen Unrat verantwortlich zu sein, schränkt die Freiheit nicht ein. Wir sind nicht allein auf der Welt. Oder wie mein Vater sagen würde: „Bakarsan bag olur, bakmazsan dag olur.“ Pflegst du es, wird es ein Weinberg, ansonsten ein Berg.

Hatice Akyün ist in Anatolien geboren, in Duisburg aufgewachsen und in Berlin zu Hause. An dieser Stelle schreibt sie immer montags über ihre Heimat.

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