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Kommentar zu Knuts Tod: Stadt des Bären

Eisbär Knut hat Berlin repräsentiert wie kein Tier oder auch Mensch vor ihm. Mehr noch, er war ein global allgemein verständliches Symbol der Reinheit. Berlin wird lange warten müssen, bis es erneut solch einen Botschafter gewinnt.

Obwohl Berlin einen Bären im Wappen trägt – es ist in der jahrhundertelangen Geschichte der Stadt nur sehr selten vorgekommen, dass ein Tier einen festen Platz im kollektiven Bewusstsein ihrer Bewohner und später in ihrer Erinnerung errungen hat. Condé, dem Lieblingspferd des Alten Fritz, ist es gelungen, später auch einigen Zoobewohnern, Bobby, dem legendären Gorilla, oder Knautschke, dem Flusspferdbullen, ein wenig auch der Panda-Dame Yan Yan und Kiri, dem Elefantenkind. Wenngleich sie alle für viele Berliner mittlerweile wohl nicht viel mehr als Namen sind – man weiß doch, das es besondere Tiere waren, vielleicht weniger, weil sie sich von ihren Artgenossen groß unterschieden, sondern weil sie die Menschen irgendwie berührten, in ihnen etwas auslösten, weil sich in ihnen für ihre Gäste am Gehege etwas spiegelte, das ohne sie vielleicht nicht so deutlich geworden wäre.

Nun also Knut, unerwartet und wohl ein kleiner Schock selbst für die, denen nicht der kleine Eisbär, aber doch der Trubel um ihn mitunter zu viel wurde. Aber auch sie werden zugeben: Knut war etwas Besonderes, nicht nur irgendein Eisbär, sondern ein anrührendes Wesen, das eine Zeitlang zu einem so starken Symbol der Stadt wurde, dass man Berlins Wappentier eigentlich hätte umfärben müssen.

Von der Mutter verstoßen – das wäre in der freien Natur der sichere, namenlose Tod gewesen. Hier aber machte diese biologische Laune das schneeweiße Fellbündel plötzlich geradezu menschlich, weckte Beschützerinstinkte nicht nur bei älteren Stammgästen des Zoos. Und dazu bot Knut eine niedliche Tolpatschigkeit, die man sonst eher aus Disney-Filmen kennt, später abgelöst durch eine gewisse Rüpelhaftigkeit, auch das Fell war nicht mehr weiß, sondern schmutzigbraun – typische Symptome der Flegeljahre, man kennt das auch von menschlichen Heranwachsenden.

Aber etwas war dann doch anders als bei Bobby, Knautschke, Kiri. Deren Ruhm blieb weitgehend auf die Stadt beschränkt, Knut aber war das erste Berliner Tier, das es wirklich zu Weltruhm gebracht hat, ja, man darf ohne Weiteres davon ausgehen, dass global weitaus mehr Menschen von ihm wissen als etwa von Willy Brandt, Otto von Bismarck oder auch dem Alten Fritz. Gemeinsam mit Leonardo DiCaprio auf der Titelseite eines amerikanischen Hochglanzmagazins, fotografiert von Annie Leibowitz – das muss man ihm erst mal nachmachen. Und dabei ging es nicht einmal nur um den zweifellos überhoch anzusetzenden Knuddelfaktor des jungen Knut, vielmehr darüber hinaus um ein Anliegen von wiederum globaler Bedeutung. Knut, der Berliner, trabte eine Zeitlang an der Spitze der Öko-Bewegung um den Erdball, wurde zum Medienstar, zum Symbol für die gefährdete, schon um seiner Putzigkeit willen schützenswerte Natur. Knut – das war das Gegenbild zu den schmelzenden Polkappen, den niedergemähten Tropenwäldern, den dahingemetzelten Walen, den Giftseen – und er wäre jetzt wohl das Gegenbild zu den explodierenden Atommeilern. Es wird nicht leicht werden, solch ein global allgemein verständliches Symbol der Reinheit wiederzufinden. Und auch Berlin wird lange warten müssen, bis es erneut solch einen Botschafter der Stadt gewinnt. Denn so ausgefeilt alle Imagekampagnen auch sein mögen – gegen einen kleinen Eisbären sind sie nichts.

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