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Der Mariannenplatz war grau... Christian Ströbele, Altlinker und grüner Bundestagsabgeordneter, irritierte mit einem Spruch, demzufolge die eingeworfenen Scheiben bei Banken ein "Schönheitsfehler" seien. "Inhaltlich nicht nachvollziebar" seien Steinwürfe auf genossenschaftlich organisierte Finanzinstitute, sagte Ströbele.

© Reuters

Kommentar zum 1. Mai: Ritual und Geplapper

Viel Party, wenig Krawall: Gerd Nowakowski kommentiert den 1. Mai in Berlin - und die Orientierungsprobleme des Altlinken Christian Ströbele.

So friedlich war es selten an einem 1. Mai in Berlin. Nichts da von einem „Tag des Zorns“, wie die Veranstalter der revolutionären 1. Mai-Demonstration als Motto ausgegeben hatten in eitlem Selbstbezug auf den mutigen Befreiungskampf in Nordafrika. Wie schon in der Walpurgisnacht blieb auch am Feiertag der Arbeit die Nacht vergleichsweise ruhig.

An beiden Tagen ging die Strategie der Polizei auf, die mit fast 7000 Beamten an allen möglichen Brandherden präsent war und von vornherein klar machte, dass sie nichts anbrennen lassen würde. Präsenz ohne Provokation, kluge Zurückhaltung, aber auch schnelles Zugreifen – selten hat die Polizeiführung so überzeugend agiert. Das hat dazu beigetragen, dass der aufs Transparent gemalte Wunsch eines Autonomen nicht wahr wurde: „Das Baugewerbe freuts bestimmt, wenn die Stadt heut Schaden nimmt.“

Es könnte sein, dass der 1. Mai 2011 eine entscheidende Wegmarke wird, das unselige Randale-Ritual in Kreuzberg nach 25 Jahren endlich Geschichte werden zu lassen. Wesentlich unterstützt wurde es durch die Rückeroberung des Kreuzberger Kiezes durch die Anwohnerinitiative. Das Myfest, das inzwischen eine eigene, ganz friedliche Tradition begründet, hat sich auf den gesamten Kiez ausgedehnt und nimmt den gewaltbereiten Schwarzjacken den Raum, um Krawall anzuzetteln.

Hinzu kommt die erkennbare Mobilisierungsschwäche der Autonomen, die ihre Aktionen wie die Brandflaschenwürfe auf eine Reinigungskraft selbst in den eigenen Reihen nicht mehr recht legitimieren können und angesichts der Massenproteste etwa gegen die Atomkraft fast unpolitisch wirken.

Nur Christian Ströbele, der König von Kreuzberg, offenbart linke Orientierungsprobleme. Einen „Schönheitsfehler“ nennt der grüne Bundestagsabgeordnete die Steinwürfe auf die Schaufenster der Volksbank. Der Vorwurf der Autonomen, diese hätten die Finanzkrise mitverursacht, sei „inhaltlich überhaupt nicht nachvollziehbar“. Ach, was! Man darf daraus wohl schließen, dass die Steinwürfe an sich nicht unangebracht waren, sondern nur die falschen Banker trafen. Also, Leute, beim nächsten Mal bitte eine Deutsche Bank aussuchen, oder was? Christian Ströbele ist zu klug, um das so zu meinen; von jenen, die seine unbedachten Worte lesen, ist das nicht so sicher. Er braucht sich jedenfalls nicht beklagen, wenn er sich in die falsche Ecke gestellt sieht. In der nervösen Atmosphäre, die in Kreuzberg herrscht, ist solch verantwortungsloses Geplapper ein Funke, der den zarten Frieden wieder entzünden könnte.

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