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Berlin: Kopfgeld für die Jagd auf Schwarzfahrer

Sie sehen aus wie jedermann: Private Sicherheitsdienste in Zivil kontrollieren erfolgreicher als die BVG – und werden nach Leistung bezahlt

Am Ausgang des U-Bahnhofs Neukölln stehen zwei kräftige, junge Männer mit abgewetzter Kleidung und versperren den Weg. Suchen die Streit? Einige Fahrgäste stutzen. Doch die beiden wollen nur die Fahrscheine sehen. Sie sind Kontrolleure, im Auftrag der BVG unterwegs, um Schwarzfahrer aufzuspüren. So stellt man sich Kontrolleure nicht vor. Und genau dahinter steckt Methode. Die Männer gehören zu einem Privatunternehmen, dessen Mitarbeiter nach Tagesspiegel-Informationen erheblich effizienter arbeiten als die Kollegen der BVG. Sie erhalten Erfolgsprämien. Je mehr Schwarzfahrer sie schnappen, desto mehr verdienen sie. Die Zahl der privaten Kontrolleure soll nun aufgestockt werden.

Die Privatfirma hat der BVG versprochen, dass sie mit ein paar Mitarbeitern mehr die Zahl der ertappten Schwarzfahrer deutlich steigern kann. Bisher gibt es pro Jahr etwa 350 000 Fälle, in denen Fahrgäste geschnappt wurden, die ohne gültigen Fahrschein unterwegs waren. Das Unternehmen will die Zahl auf 500 000 steigern.

Wie viele Schwarzfahrer ertappt werden, hängt von der Zahl der Kontrollen, aber auch von der Motivation der Kontrolleure ab. Unter der Hand gibt die BVG zu, dass die Überprüfungen durch ihr eigenes Personal nicht besonders erfolgreich sind. Von den 350 000 Sündern des vergangenen Jahres gingen nur rund 100 000 auf das Konto der BVG-Mitarbeiter. Sie müssen allerdings auch in Dienstkleidung erscheinen – und sind so schon von weitem zu erkennen. Die BVG will mit soviel demonstrativer Präsenz kaschieren, dass auf den U-Bahnhöfen eigentlich keine Mitarbeiter mehr stationiert sind.

Und während die „Kontrollettis“ der BVG für ihren Job Geld in fester Höhe erhalten, erhält die Privatfirma von der BVG für jeden Geschnappten einen finanziellen Bonus. Entsprechend motiviert sind deren Mitarbeiter. Und findig. In ihrem „Räuberzivil“ sind sie häufig nicht als Kontrolleure zu erkennen. Erst wenn sie den Ausweis zücken, weiß der Schwarzfahrer, dass er Pech gehabt hat.

Das Risiko für Fahrschein-Muffel soll jetzt größer werden. Bisher mussten von den rund 800 Millionen Fahrgästen, die jährlich mit Bahnen und Bussen der BVG fahren, nur acht Millionen bei Kontrollen ihren Fahrschein vorweisen – also nur jeder hundertste. Die Rechnung für Schwarzfahrer ist entsprechend einfach. Mehr als einmal im Monat erwischt zu werden, ist – mathematisch gesehen – unwahrscheinlich. Ertappte Schwarzfahrer müssen 40 Euro „erhöhtes Beförderungsentgelt“ zahlen; die billigste Monatskarte für das Tarifgebiet ABC kostet dagegen 69,50 Euro und vom 1.August nach der geplanten Tariferhöhung sogar 72,50 Euro. Jetzt soll die Zahl der Kontrollen so gesteigert werden, dass man damit rechnen muss, zwei Mal im Monat kontrolliert zu werden. Dann ist Schwarzfahren teurer als der Kauf einer Monatskarte.

Offiziell gibt die BVG die Zahl der Schwarzfahrer mit etwa drei Prozent an. Bei Schwerpunktkontrollen der Polizei steigt die Quote häufig auf mehr als zehn Prozent. Fahrgäste, die mit einem ungültigen Fahrschein unterwegs sind, könnten in Zukunft also Pech haben. BVG-Mitarbeiter sind im Zweifel auch schon mal kulant. Die Privaten wohl weniger. Denn wird eine Erfolgsprämie gezahlt, dürfte die Bereitschaft dazu geringer sein.

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