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Berlin: Koppel-Geschäfte

Er ist der wahre Pferdeflüsterer: Monty Roberts. Er ist nicht nur ein Meister der Heilkünste, sondern auch des Marketings. Bald kommt er nach Berlin

Das Wichtigste, was er im Leben gelernt habe sei, sanft zu sein, sagt Monty Roberts. Das hat gedauert. Denn das Erste, was man ihm vorgelebt hatte, da war er noch Kind auf einer Pferdefarm in Kalifornien, war Gewalt. Der Vater, Alkoholiker, begann ihn zu verprügeln, da war er vier Jahre alt. Bis Monty zwölf war, waren 71 Knochen gebrochen. Als er 14 war, beschloss er, den Vater umzubringen. Er hatte sich die Flinte schon geschnappt und war zur Tür raus, da wurde ihm bewusst, was er da tun wollte. Er würde wie der Vater sein, ein Leben lang gesteuert von einem Bauch voller Wut.

55 Jahre später sitzt Monty Roberts in einem Hotelzimmer in Berlin und ist ein berühmter Mann. Er ist der wahre Pferdeflüsterer. Einer, der verrückte Pferde, solche, die seltsam reagieren, weil sie misshandelt wurden, heilt, indem er sanft zu ihnen ist. Die BBC hat ihm einen Dokumentarfilm gewidmet, er ist Vorbild des weltberühmten Kinofilms mit Robert Redford, Buchautor, Freund der Queen und reich. Die Wut ist allerdings immer noch da. „Ein Kind, das Gewalt gelernt hat, wird sie nie vergessen“, sagt Roberts. Aber wenn heute die Wut hochkocht, dann tritt er eben gegen eine Mauer. Und außerdem sei er ja jetzt alt, mit 69. „Alter macht auch sanft.“ Man möchte ihn umarmen, den kalifornischen Pferde-Gandhi, der den Gewaltlosigkeitsschwur getan hat.

Na gut. Manchmal will man ihn auch nicht umarmen. Manchmal hat Monty Roberts auch den freundlich-salbungsvollen Ton eines Fernsehpfarrers drauf. Er lehnt sich dann auf seinem Stuhl nach vorne, schiebt die Mütze ins Genick und spricht mit sehr sanfter Stimme von seiner „Mission“: die Gewalt vom Angesicht der Erde zu merzen. In einem großzügigen Rundumschlag vernetzt er Pferdetherapien, Anschläge in Madrid und Irakkrieg (er war natürlich dagegen). Ganz kurz schleicht sich da der Verdacht ein, dass sich hinter seinem Idealismus auch eine dicke Portion sehr amerikanischen (und sehr geschäftsfördernden) Pathos’ versteckt. An einem Mangel an Selbstbewusstsein leidet Mr. Roberts auch nicht: Mehr als 12 000 Pferde habe er geheilt und täglich werden es mehr, die seiner Lehre anhängen. „Das ist der größte Fortschritt für Pferde seit tausenden von Jahren.“

Der Pferdeflüsterer fixiert seine Gäste immer sehr aufmerksam. Unentwegt sieht er sie mit weit geöffneten, babyblauen Augen an und nickt. Nie beantwortet er eine Frage, bevor sie nicht vollständig gestellt ist, und dann lässt er nochmal eine Sekunde vergehen, um anzudeuten, er denke über sie nach. Das ist sehr angenehm. Bei Monty, dem Verhaltensforscher, wird auch der Mensch schnell zutraulich; so hat er übrigens auch 47 Pflegekinder, allesamt Problemfälle, wieder auf Vordermann gebracht. Seinen Pferden schaut er allerdings selten in die Augen. Die finden das nicht vertrauenerweckend. Es macht ihnen Angst, macht den Menschen zum jagenden Berglöwen. Monty weiß genau, was Pferde fühlen. Er spricht die Pferdesprache, sagt er, jahrzehntelang hat er seine Sprachkenntnisse verbessert durch Beobachtungen in der Wildnis.

Seine Therapie beruht auf der Freiheit der Wahl. Wenn Monty einen Roundpen betritt, eine Umzäunung samt verstörtem Pferd, dann lässt er es erstmal laufen und signalisiert, dass es okay ist. Er benimmt sich wie ein Löwe, die Hände gespreizt wie Klauen. Mit winzigen Gesten, die immer weniger aggressiv werden – Klauenhände drehen sich, Klauenhände zur Faust, Klauenhände versteckt, Schultern defensiv gebeugt, Blick abgewandt – lockt er das Pferd schließlich wieder an. Wenn es aus freien Stücken zu ihm gekommen ist, kann man ihm leicht das Bocken abgewöhnen, sagt Roberts. Oder die Angst vor Regenschirmen. Hat er alles schon vorgeführt, in Shows.

Ein Fanatiker sei er, sagt Roberts über sich selbst. Gerade macht er die PR-Tour durch Deutschland – in Berlin tritt er am 4. und 5. Juni auf – dann geht’s nach Dubai, Sydney und Warschau. Nur 50 Tage im Jahr ist er zu Haus, auf der Farm in Solvang, Kalifornien. Monty Roberts hat Sendungsbewusstsein. Aber er ist auch Teil einer Riesenmaschinerie geworden, zur unendlichen Geschichte des Pferdeflüsterers. Die bekommt jetzt sogar einen Soundtrack. Heute trifft Roberts in Köln den Sänger Michael Holm, der einen Song aufnehmen wird, mit eingestreutem Sprechgesang von Herrn Roberts persönlich. Über einen scheuen Mustang. Natürlich.

Monty Roberts tritt am 4. und 5. Juni im Tempodrom auf. Tickets: 27 bis 49 Euro, unter Telefon 61 10 13 13. Für die Shows werden Problempferde gesucht. Bewerbung: www.montyroberts.com/pferdeauswahl.htm

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