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Sippenhaft: Das Exponat, neben dem die Künstlerin Sooki Koeppel zu sehen ist, repräsentiert das vergitterte Babybett, in dem der heutige Menschenrechtsaktivist Shin Dong-hyuk einst als Kind lag. Er war im Straflager zur Welt gekommen, erst zwanzig Jahre später gelang ihm die Flucht.

© Doris Spiekermann-Klaas

Koreaner in Berlin: Gemeinsam gegen Armut und Unterdrückung in der Heimat

Berliner mit koreanischen Wurzeln wollen den Menschen in Nordkorea helfen - mit Geld, Informationen und einer Ausstellung. Die deutsche Hauptstadt ist für sie ein besonderes Symbol: Am Mittwoch startet hier eine Fahrradtour für die Wiedervereinigung.

An der Backsteinwand hängen Zeichnungen. Keine Kunstwerke, sondern verstörende Augenzeugenberichte. Sie zeigen das Leben in nordkoreanischen Internierungslagern: Gefangene werfen Steine auf einen Mann, der zu fliehen versucht hatte und deshalb gehenkt wird, ein Wärter schlägt einem Insassen mit einem Spaten den Arm ab, ein Gefesselter wird vor den Augen anderer Häftlinge erschossen.

40 Poster mit solchen Bildern, mit Fotos und kurzen Texten zeigen Sooki Koeppel und ihre Mitstreiter derzeit in den Kellerräumen des Museums Haus am Checkpoint Charlie, unter dem Titel „Folter in Nordkorea“. Die Zeichnungen stammen von drei nordkoreanischen Flüchtlingen, sagt Koeppel. „Sie basieren auf ihren eigenen Erlebnissen und dem, was sie von anderen gehört haben.“

Youn-sook Koeppel findet die Zustände in ihrer Heimat unerträglich

Youn-sook Koeppel, wie die Künstlerin mit bürgerlichem Namen heißt, stammt aus Südkorea, sie kam einst zum Studium nach Deutschland und hat mittlerweile genauso viele Jahre hier wie dort verbracht. Ihr Atelier befindet sich in Wilmersdorf, ihr Mann ist der bekannte Maler Matthias Koeppel. Doch die 59-Jährige fühlt sich ihrer Heimat noch immer verbunden. Sie ist Vorsitzende der Koreanischen Menschenrechtsorganisation, die vor zwei Jahrzehnten gegründet wurde, um Südkoreanern bei Problemen in Deutschland zu helfen; in jüngster Zeit beschäftigt sich der Verein vor allem mit Nordkorea. Dass ihre Landsleute dort in Armut und Unterdrückung leben müssen, findet Koeppel unerträglich: „Mit der Ausstellung wollen wir auf ihr Schicksal aufmerksam machen“, sagt sie. Und das Haus am Checkpoint Charlie sei dafür genau der richtige Ort: schließlich soll Korea seine Teilung überwinden, solle bald in Frieden und Freiheit vereint sein – so, wie es Deutschland gelungen ist.

Das ist auch das Ziel der „Transeurasischen Fahrradtour“, die am Mittwoch von Berlin aus Richtung Korea beginnt: 100 Tage lang wollen die Teilnehmer „im Zeichen der Wiedervereinigung Koreas“ radeln, Veranstalter ist nach Angaben der Botschaft der Republik Korea die größte und älteste Tageszeitung Südkoreas, „Chosun Ilbo“. Gestartet wird die Tour am 13. August um 10 Uhr am Brandenburger Tor unter anderem von Jae-shin Kim, Botschafter der Republik Korea, und Won-soon Park, dem Regierenden Bürgermeister von Seoul.

In den Straflagern Nordkoreas werden 200.000 Menschen unter katastrophalen Bedingungen gefangen gehalten

Nordkorea ist eine brutale Diktatur, in der Sippenhaft gilt. Schon die kritische Äußerung eines Angehörigen genügt, um in einem der Straflager zu landen, von denen die Regierung in Pjöngjang behauptet, sie würden gar nicht existieren. „Tatsächlich gibt es sechs davon, 200.000 Menschen sind dort inhaftiert“, sagt Koeppel. Die Häftlinge müssen Zwangsarbeit leisten, wer sich nicht an die Regeln hält, dem drohen Folter und Tod. Die Exponate, die wohl bald vom Keller ein paar Etagen höher ziehen und dort Teil der Dauerausstellung des Mauermuseums werden, stammen von einer befreundeten südkoreanischen Nichtregierungsorganisation. Besonders beeindruckend ist das vergitterte Babybett, das hier zu sehen ist In einem kleinen Käfig wie diesem soll der spätere Lagerflüchtling Shin Dong-hyuk als Kind eingesperrt gewesen sein. Shin wurde im Lager geboren und wuchs dort auf, der deutsche Regisseur Jörg Adams erzählt seine Geschichte in der Dokumentation „Camp 14“.

Sooki Koeppels Verein ist nicht der einzige in Berlin, der den Menschen in Nordkorea helfen will. Erst vor kurzem hat sich die Gruppe „Saram“ gegründet, „ein bunt gemischter Haufen“, wie Sprecher Nicolai Sprekels, 30, sagt. Unter den Mitgliedern gibt es Deutsche wie Koreaner. Auch den meist jungen Aktivisten von „Saram“ – das koreanische Wort für Mensch – geht es vor allem darum, auf das Leid der 25 Millionen Nordkoreaner aufmerksam zu machen. Mit Vorträgen und über die sozialen Netzwerke soll die Lage im Land intensiver beleuchtet werden; die Berichte in deutschen Medien findet Sprekels oft oberflächlich. Doch das Engagement reicht noch weiter.

Die Gruppe "Saram" sammelt Spenden für eine Fluchthilfe-Organisation

Im Moment nimmt „Saram“ für ein südkoreanisches Projekt Spenden entgegen, das Nordkoreaner auf der Flucht unterstützen soll. „Wir helfen einer südkoreanischen Organisation, die sich um die Leute kümmert“, sagt Sprekels. Mit Schleppern sind schon Zehntausende über die Grenze nach China entkommen, wo sie jedoch bestenfalls geduldet werden. Selbst wenn sie es dann nach Südkorea oder in die USA schaffen, brauchen viele, mittel- und hilflos wie sie sind, weiter Unterstützung.

Nicolai Sprekels arbeitet bei der humanistischen Giordano-Bruno-Stiftung, er ist durch ein Gespräch mit einem ehemaligen Lagerhäftling auf das Thema aufmerksam geworden. Zizung Yoon, Mitbegründer einer anderen Organisation – „Herz für Korea“, kurz Heko –, hat sogar Verwandtschaft in Nordkorea. Die Familie seiner Mutter stammt von dort, die des Vaters ist seit jeher in Südkorea daheim. Yoon, 32, ist in Marburg geboren, seine Jugend verbrachte er in Seoul, ehe er fürs Studium nach Deutschland zurückkehrte. Heute entwickelt er kleine Satelliten am Institut für Luft- und Raumfahrt der TU Berlin. „Die Mitglieder von ,Herz für Korea‘ sind vor allem in Deutschland aufgewachsene Koreaner und koreanische Studenten, die hier leben“, erzählt er. „Aber wir sind für alle offen.“

Die Unterschiede zwischen Nord- und Südkoreanern sind groß

Wie die Kollegen von „Saram“ wollen die Heko-Aktivisten Flüchtlinge unterstützen. Yoon war auch schon in der chinesischen Region, die an Nordkorea grenzt, hat dort mit geflohenen Koreanern gesprochen und mit den Geistlichen, die ihnen helfen; er selbst ist auch Christ. „Uns beschäftigt die Frage, was wir nach einer Wiedervereinigung tun können, um Versöhnung und Integration zu fördern.“ Berlin, findet Yoon, sei ein guter Platz, um sich darüber Gedanken zu machen – auch wenn die Unterschiede zwischen Nord- und Südkoreanern schon jetzt wesentlich größer sind, als es die zwischen Ost- und Westdeutschen je waren. „Nordkoreaner sind viel direkter als Südkoreaner, um nur ein Beispiel zu nennen“, sagt er. Anfang November veranstaltet Heko eine Konferenz mit dem Motto „Korea. Ein Land. Zwei Kulturen“.

Ausstellung „Folter in Nordkorea“ im Museum Haus am Checkpoint Charlie, Friedrichstraße 43–45, täglich 9 bis 22 Uhr. Eintritt kostenlos. Weitere Informationen online: saram-nk.org und heko-berlin.de.

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