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Korrupt? Jedenfalls hat die Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl gegen den früheren BER-Techikchef Jochen Großmann beantragt. Ein Strafbefehl ist wie ein Urteil, nur dass es vorher keine Verhandlung gab.

© dpa

Korruptionsverdacht am BER in Berlin: Ex-Technikchef Jochen Großmann droht hohe Strafe

Die Staatsanwaltschaft Neuruppin beantragt Strafbefehl gegen den ehemaligen BER-Technikchef Jochen Großmann – wegen Bestechlichkeit und Betruges.

Die Strafjustiz greift im bisher größten Korruptionsskandal am Flughafen BER durch: Der frühere Technikchef Jochen Großmann soll wegen „Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr“ und „Betruges“ zur Verantwortung gezogen werden. Die für Korruptionsdelikte zuständige Neuruppiner Staatsanwaltschaft hat nach Tagesspiegel-Informationen einen Strafbefehl gegen den 56-Jährigen beantragt – auf eine Haftstrafe von einem Jahr, ausgesetzt zur Bewährung und Zahlung von 200 000 Euro an die Landeskasse Brandenburgs.

Großmann wäre rechtskräftig verurteilt, wenn das Gericht dem folgt und Großmann selbst den Strafbefehl akzeptiert. Davon ist aber auszugehen, da dem Chef und Inhaber der in Dresden ansässigen Gicon-Gruppe mit 14 Firmen und 460 Beschäftigten so eine öffentliche Gerichtsverhandlung erspart bliebe. Zudem hat sich nach Tagesspiegel-Informationen herausgestellt, dass Großmann bei Abrechnungen auch die Flughafengesellschaft betrogen haben soll. In das beantragte Strafmaß gingen dem Vernehmen nach sechs Fälle von vollendetem Betrug und zwei Betrugsversuche ein. Das Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Wettbewerbsverzerrung läuft weiter. Dort geht es um verdeckte Preisabsprachen von BER-Bieterfirmen.

Die Staatsanwaltschaft hatte seit Mai gegen Großmann ermittelt, der von Flughafenchef Hartmut Mehdorn 2013 als „Retter“ auf die BER-Baustelle geholt worden war. Er soll von einem holländischen Planungsbüro, das sich um einen BER-Auftrag in Millionenhöhe bewarb, ein Bestechungsgeld in Höhe von 350 000 Euro gefordert haben. Um diese Summe sollte die Firma das Gebot erhöhen und den Aufpreis dann an Großmanns Gicon-Gruppe abführen. Die holländische Firma selbst hatte den Flughafen über den Fall informiert, woraufhin Mehdorn die Staatsanwaltschaft einschaltete. Es wurden Wohn- und Geschäftsräume Großmanns in Berlin und Dresden durchsucht, einige Kisten mit Akten und einige Terabyte Computerdaten beschlagnahmt. Mehdorn kündigte Großmann im Sommer fristlos.

Jochen Großmann sollte das Monster zähmen

Der Ex-Technikchef hatte seit 2013 das BER-Inbetriebnahmeprogramm „Sprint“ verantwortet und vor allem das Konzept entwickelt, um die außer Kontrolle geratene, nicht funktionsfähige Entrauchungsanlage im Terminal in Gang zu bringen. Das „Monster“, wie es intern heißt, wird dabei in drei beherrschbare Einzelanlagen zerlegt. An diesem Konzept halten Mehdorn und der neue Technikchef, der frühere Siemens-Manager Jörg Marks, weiterhin fest.

Dass Großmann nicht angeklagt wird, ist dennoch eine Überraschung. Das Strafbefehlsverfahren wird eigentlich vor allem in minderschweren oder in klaren Fällen angewandt, in denen nach Aktenlage entschieden werden kann. Es soll der Entlastung von Gerichten und Staatsanwaltschaften dienen, dem Beschuldigten aber auch eine schnelle, kostensparende und unauffällige Verfahrenserledigung ermöglichen, heißt es. Bei Großmann bewegt sich das Strafmaß an der Höchstgrenze, per Strafbefehl kann eine Freiheitsstrafe auf Bewährung bis zu einem Jahr verhängt werden.

Großmann, der sich zu den Ermittlungen nie äußerte und auch am Sonntag nicht erreichbar war, kommt der Ausgang ohne eine Gerichtsverhandlung dennoch entgegen. Bis zum Korruptionsskandal hatte er als Unternehmer einen guten Ruf. Er gehörte zu einem Wirtschaftsberaterkreis des sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich (CDU). Noch im April war Großmann in Sachsen als Zweitplatzierter „Unternehmer des Jahres“ ausgezeichnet worden, da seine Firmengruppe „in vielen Segmenten eine weltweit führende, teils sogar eine Alleinstellungsposition“ habe und ein „wichtiges Rückgrat der sächsischen Technologiewirtschaft“ sei. In Sachsen wollen die Initiatoren des Wettbewerbs, wie es heißt, die Untersuchungen abwarten, „bevor sie über mögliche Konsequenzen bezüglich der Preisvergabe entscheiden“.

Mehdorn hatte auf den Fall Großmann „tief enttäuscht“ reagiert. Erst vor wenigen Tagen verkündete die Flughafengesellschaft, dass sie ihr Compliance Management gegen Korruption verstärkt habe, mit einem neuen „Compliance Officer“, der Rechtsanwältin und früheren Wirtschaftsstaatsanwältin Elke Schaefer. Sie war vorher bereits externe Korruptions-Ombudsfrau der Flughafengesellschaft. Das übernimmt jetzt Rainer Frank, Gründungspartner der Fachanwälte für Strafrecht am Potsdamer Platz, der vertraulich alle Hinweise entgegennimmt.

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