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Korruptionsverdacht: Ankläger attackieren BSR wegen Vorstandsaffäre

Die Vereinigung Berliner Staatsanwälte übt scharfe Kritik an der Vertragsverlängerung für BSR-Finanzchef Lothar Kramm. Dieser muss wegen Korruptionsverdachts vor Gericht.

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In ungewöhnlich scharfer Form hat die Vereinigung Berliner Staatsanwälte (VBS) auf die Verlängerung des Arbeitsvertrages für Lothar Kramm, den wegen Korruption angeklagten Finanzvorstand der Berliner Stadtreinigung (BSR) reagiert. „Völliges Unverständnis“ habe die Entscheidung beim Verband der Ankläger ausgelöst, hieß es in einer Pressemitteilung vom Dienstag. Leider sei es traurige Realität geworden, eine Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft bei Nichtgefallen im politischen Raum einfach zu ignorieren. „Aber dass man sogar die Entscheidung des Kammergerichts, die Anklage zuzulassen, negiert, ist gerade für ein landeseigenes Unternehmen unglaublich“, sagte der VBS-Vorsitzende Ralph Knispel am Dienstag dem Tagesspiegel. Schließlich bedeute die Zulassung der Anklage, dass eine Verurteilung wahrscheinlicher sei als ein Freispruch.

Wie berichtet war Kramm 2007 in Verdacht geraten, Betriebsgeheimnisse an einen Lobbyisten verraten zu haben, der sich ebenfalls vor Gericht verantworten muss. Beide Angeklagte haben die Vorwürfe stets bestritten. Kramm soll dem Lobbyisten vertrauliche Informationen über die BSR-Ausschreibung für die Erneuerung der Restmüllverbrennungsanlage in Ruhleben in Höhe von 120 Millionen Euro mitgeteilt haben, damit dessen Kunde den Auftrag erhalten würde. Dafür sei ihm die Hälfte der Provision von 1,2 Millionen Euro versprochen worden.

Das Landgericht hatte die Eröffnung eines Gerichtsverfahrens zunächst abgelehnt, das Kammergericht hob im August 2011 diese Entscheidung auf und verwies das Verfahren an die Wirtschaftsstrafkammer. Wann der Prozess beginnt, steht noch nicht fest. Während der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen war in Kramms Vertrag eine Klausel aufgenommen worden, wonach sein Arbeitsverhältnis im Fall einer Anklage gegen ihn endet. Jetzt wurde bekannt, dass diese Klausel bereits im April 2010 gestrichen bzw. in einem neuen Vertrag, den Kramm trotz der Vorwürfe erhielt, geändert wurde.

Das geschah unbemerkt von der Öffentlichkeit und mit Zustimmung des Aufsichtsrats der BSR unter Vorsitz des damaligen Wirtschaftssenators Harald Wolf (Linke). Der hatte dem Tagesspiegel bereits am Montag gesagt, man habe damals die Anschuldigungen geprüft und sei einstimmig zu der Einschätzung gelangt, dass Lothar Kramm nichts vorzuwerfen sei. Das gelte nach wie vor.

Kramm, der demnächst seinen 67. Geburtstag feiert, werde in Kürze ohnehin ausscheiden, sagte BSR-Sprecherin Sabine Thümler. In seinem neuen Vertrag stehe nämlich, dass sein Arbeitsvertrag am ersten Tag der Hauptverhandlung endet – oder, wenn ein Nachfolger für ihn gefunden ist. Dies ist ein zweiter Kritikpunkt der Berliner Staatsanwälte.

Zwar wurde ein Bewerbungsverfahren eingeleitet, es kann aber nicht abgeschlossen werden, weil der Aufsichtsratsvorsitz in der BSR noch vakant ist. Unklar ist, ob die neue Wirtschaftssenatorin Sybille von Obernitz oder Finanzsenator Ulrich Nußbaum die Nachfolge von Wolf im Aufsichtsrat der BSR antritt.

Die Staatsanwälte nennen das „fadenscheinig“ und fordern den Senat auf, sich zeitnah um eine Lösung zu kümmern. Während die Finanzverwaltung jeglichen Kommentar dazu ablehnt, sagte die Sprecherin des Wirtschaftsressorts, Gina Schmelter, dem Tagesspiegel: „Auch wir sind an einer zügigen Besetzung des BSR-Finanzvorstands interessiert. Dazu muss jedoch zuerst der Vorsitz im zuständigen Aufsichtsrat geklärt werden. Sobald sich dieser konstituiert hat, wird das Bewerbungsverfahren so schnell wie möglich abgeschlossen.“

Kramm habe erklärt, ohne weitere Ansprüche aus dem Amt zu scheiden, heißt es. Bleibt die Frage, ob die heimliche Änderung seines Vertrages rechtens war, sagen die Anwälte. Die Auseinandersetzung zwischen ihnen und der BSR wird seit Jahren mit harten Bandagen geführt. Als gegen den Finanzvorstand ermittelt wurde, hatte die BSR die Kanzlei des Wirtschaftsstrafrechtlers und Ex-Staatsanwalts Joachim Erbe angeheuert. Diese ist spezialisiert auf die „vielfältigen Erscheinungsformen der Wirtschaftskriminalität“ und stellt sich dabei auch „auf die Seite derer, die in Verdacht geraten“. Erbe und die BSR hatten die Ermittler scharf attackiert und versucht, die Anklageschrift zu demontieren. Das Landgericht hatte schon 2010 die Verteidigungsstrategie der BSR als „unsachliche Angriffe auf die Staatsanwaltschaft, insbesondere durch den Verfahrensvertreter der BSR“ kritisiert.

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