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Regula Lüscher wurde 1961 in Basel geboren. Nach einigen Jahren Tätigkeit in Architekturbüros übernahm sei im Jahr 2000 die Leitung der Stadtplanung im Amt für Städtebau in Zürich. 2007 kam sie nach Berlin.

© picture alliance / dpa

Kostenexplosion bei der Staatsoper: Regula Lüscher - die Frau, die die Verantwortung trägt

Die Sanierung der Staatsoper Unter den Linden wird 46 Millionen Euro teurer als geplant - mindestens. Baudirektorin Regula Lüscher muss dafür viel Kritik einstecken. Bilanz zieht sie jede Woche mit Lippenstift an ihrer Badezimmerwand.

Diese Frau steht unter Druck. Sie hat in dieser Woche verkündet, was sie vor einem halben Jahr noch ausgeschlossen hatte: Dass die Kosten eines der größten Kulturprojekte Berlins aus dem Ruder laufen. Die Sanierung der Staatsoper Unter den Linden wird 46 Millionen Euro teurer als geplant – Stand heute. Und Senatsbaudirektorin Regula Lüscher will nun nicht mehr ausschließen, dass auch diese Rechnung bald wieder Makulatur ist. Die Sanierung wird nun so teuer, wie erste Berechnungen es befürchten ließen, bevor der Senat den Rotstift ansetzte und sich das Projekt schön rechnete.

Ausgaben von mehr als einer viertel Milliarde Euro für die Erneuerung einer hochsubventionierten Kulturspielstätte sind den Berlinern schwer zu vermitteln. Das muss Lüscher jetzt ausbaden. Und sie muss erklären, was nicht wirklich zu verstehen ist: Dass die Senatsbaudirektorin der deutschen Hauptstadt eine der wichtigsten Baustellen des Landes nicht unter Kontrolle bekommt.

„Erleichtert“ fühle sie sich, dass die Nachricht raus ist – und bestellt eine Cola. Das freundliche Lächeln auf dem jugendlichen Gesicht der 51-Jährigen, wirkt fast fröhlich. Aber dem unsteten Blick, den Augen, die rastlos ihren Gesprächspartner ausforschen, ist ihre Not abzulesen. Dann redet sie offen über die „Ungewissheit“, die lange über das Ausmaß des Schadens herrschte. Wie „man das mit sich herumträgt“, bis es raus ist. Von Verantwortungsgefühl spricht sie und dem vielen Geld. Und dass man es „nicht einer Abteilungsleitung überlassen“ könne, diese schlechte Botschaft zu überbringen.

Ehrenhaft ist das, aber auch alternativlos: Lüscher oder Wowereit – politisch ist sonst niemand mehr haftbar zu machen für dieses neue finanzielle Fiasko auf der ewigen Baustelle Berlin. Denn die Bausenatorin, die es für möglich hielt, die beinahe 300 Jahre alte Staatsoper innerhalb von nur drei Jahren für höchstens 242,3 Millionen Euro zu sanieren, ist längst nicht mehr im Amt. Als aber diese verhängnisvolle Entscheidung fiel, gegen den Rat der Fachleuchte, die höhere Kosten und längere Bauzeiten veranschlagten, war Lüscher schon Senatsbaudirektorin. Sie hat diese Entscheidung mitgetragen. Nun steht sie alleine dafür ein. Wowereit ist abgetaucht, sein Kulturstaatssekretär verstummt.

Fünf Jahre ist Regula Lüscher nun im Amt – und hat einen Regierungswechsel überstanden. Fragt man die zierliche Frau mit dem leuchtend rot nachgezogenen Mund nach ihrer Bilanz, erzählt sie von ihrem Badezimmer. Die vielen glänzend weißen Fliesen hat sie mit ihrem Lippenstift bemalt. Ein Blitz steht für Stress und Ärger, ein Ausrufezeichen für Erfolg. Eine Kachel pro Woche. „Da sind eine Menge Ausrufezeichen“, sagt sie.

So muss sich wohl jemand die eigene Leistung vor Augen führen, dessen Ergebnisse erst Jahre später sichtbar werden. Denn es vergeht viel Zeit, bis ein Bauwerk Form annimmt und aus Papier und Kapital umbauter Raum wird – Jahrzehnte dauert es sogar, bis ein neues Quartier wie die Europa-City steht. Doch statt zu beschleunigen, bremst diese Frau das Streben und Drängen von Geld und Geltungssucht. Vor vier Jahren gründete sie das Baukollegium. 40 Projekte schleuste sie da durch, trotzte Bauherren hier eine andere Fassade ab, setzte dort ein öffentlich genutztes Erdgeschoss durch, kämpfte für Bauqualität und Urbanität. In „sieben bis neun Jahren“ werde ihr Wirken in der Stadt sichtbar werden, sagt sie. „Diese Zeit muss man überstehen“. Aber wird sie diese Zeit bekommen?

Die Erfolge und Herausforderungen der Amtsinhaberin.

Regula Lüscher wurde 1961 in Basel geboren. Nach einigen Jahren Tätigkeit in Architekturbüros übernahm sei im Jahr 2000 die Leitung der Stadtplanung im Amt für Städtebau in Zürich. 2007 kam sie nach Berlin.
Regula Lüscher wurde 1961 in Basel geboren. Nach einigen Jahren Tätigkeit in Architekturbüros übernahm sei im Jahr 2000 die Leitung der Stadtplanung im Amt für Städtebau in Zürich. 2007 kam sie nach Berlin.

© picture alliance / dpa

Für die verheerende Fehleinschätzung bei der Staatsoper steht sie allein in der Verantwortung: Denn sie ist zuständig für die Abteilung „Hochbau“ in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Mittes früherer Baustadtrat Ephraim Gothe, heute wie sie Staatssekretär in der Bauverwaltung, könnte das auch tun, doch der gewiefte Politstratege hat dankend abgelehnt. Die arbeitsreiche Aufgabe lud man der Eidgenossin Lüscher auf, die eigentlich die Stadt als Ganzes denken und gestalten soll. Und zwar nicht als „Geschmackspolizei“, wie manche das Amt beschreiben, auch wenn diese Kritik eher auf Amtsvorgänger Hans Stimmann, den knorrigen Hanseaten, gemünzt sein dürfte.

Stimmans Werk wollte Lüscher, die in Zürich als niedergelassene Architektin und Stadtbauchefin gearbeitet hatte, nicht einfach fortsetzen. Die Umstände hätten es aber auch gar nicht zugelassen. Als Lüscher ihren Dienst vor fünf Jahren antrat, da lag Berlin in Agonie. Der Baurausch der 90er Jahre war verflogen, die Investoren weitergezogen und die Stadt wegen der Haushaltsnot zum Sparen verdammt. Was aber bleibt einem Gestalter, dem die Mittel zum Gestalten fehlen? Improvisieren, mit Provisorien! Die Öffnung des Tempelhofer Feldes, die Auswahl von „Pionieren“ für temporäre Gärten, für Sport- und Kulturveranstaltungen – das hält sie sich zugute.

Beharrlich bestellt sie das Feld. Wo Stimmann schon mal mit dem Rotstift über Bauzeichnungen fuhr, krittelt sie ruhig aber eindringlich, ist auf Widerspruch gefasst und begegnet ihm geduldig. Innige Feindschaft verbanden große Teile der Architektenschaft mit Stimmann – über Lüscher ist allenfalls zu hören, ihr fehle als „politischer Freelancer“ die Machtbasis, die es braucht, um in den sozialdemokratischen Ränkespielen bestehen zu können. Aber auch jene, die viel in der Stadt bauen und sie loben für ihren Sachverstand, sie gar „Kämpferin für die gute Sache“ nennen, tun dies auch dann noch, wenn Lüscher ihnen sicher geglaubte Aufträge aus der Hand schlägt: Weil die Senatsbaudirektorin Wettbewerbe fordert – und Investors Liebling zurück ins Glied schickt.

Große Gesten darf man nicht erwarten von Regula Lüscher – und so fragt sich mancher, ob die Internationale Bauausstellung jemals über das Stadium von Fachkolloquien und Seminaren hinauskommen wird. Auch die geplanten Neubauten am Tempelhofer Feld scheinen in einer ewigen Planungsschleife gefangen. Stattdessen rief Lüscher jüngst den Ideenwettbewerb für die Zentral- und Landesbibliothek aus, Wowereit-Gedenkbibliothek nennen sie Spötter. Noch so ein Großprojekt voller Risiken.

Daran wird man sie messen – und an der Europa-City am Hauptbahnhof. Dort steht das Meininger-Hotel, jene Bausünde, die eine Debatte über die Mittelmäßigkeit der Berliner Architektur auslöste – und ihr zugerechnet wurde. Zu Unrecht. Ihre Vorgänger genehmigten den Sündenfall. Seitdem entsteht im Quartier kein Neubau mehr ohne Wettbewerb. Das Hochhaus des Öl-Multis Total zum Beispiel. In Berlin wurde weiß Gott schon schlechter gebaut.

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